Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
seiner Arbeit auf und sein unsteter Blick huschte zwischen Tyark, Zaja und dem Bündel hin und her. Dabei murmelte der Alte ständig etwas vor sich hin, manchmal lachte er auch oder jammerte er über etwas. Ihr Begleiter war offensichtlich nicht mehr so recht bei Verstand. Tyark fragte sich, was ihm wohl einst zugestoßen war.
Später am Abend kam böiger Wind auf, der kalt von den drohenden Zacken der Gipfel der Grate herunterwehte. Das kleine Feuer, welches Sie am Eingang der Höhle entzündet hatten, knisterte leise.
Tyark spürte nun, wie erschöpft er war. Nachdenklich blickte er in die Dunkelheit und lauschte dem Knarren und Rauschen der zahllosen Bäume. Er saß dem Alten gegenüber und spürte Zajas Kopf auf seiner Schulter, die aber bereits vor geraumer Zeit eingeschlafen war.
Der Alte blickte ihn müde aus seinen wässrigen, flackernden Augen an, die einmal sehr scharf gewesen sein mussten. Er begann, Tyark etwas mittels Gesten mitzuteilen, denen Tyark aber nur mit hilflosem Blick entgegnen konnte. Der Alte hielt die rechte Faust vor sein Gesicht und lies diese dann langsam bis auf Höhe des Halses absinken, als ob er etwas darin halten würde, das bis vor sein Gesicht reichte. Seine linke Hand hielt er vor den Augen, dann spreizte er zwei Finger und schien damit in Richtung Tyarks zu stechen. Dann lachte er stumm. Speichel flog heraus.
Als er schließlich erkannte, dass Tyark nur hilflos zurückblickte, ließ der Alte seine Hände senken und verzog enttäuscht das Gesicht. Wieder schien er Worte zu murmeln, stand dann auf und wickelte sich ohne weitere Worte in eine fleckige Decke, jedoch nicht, ohne zuvor das Bündel erneut zärtlich zu streicheln. Dann legte er sich am Fuße des Felsvorsprungs auf die nackte Erde und begann schon bald zu schnarchen und im Schlaf zu zucken, als quälten ihn irgendwelche Träume.
Tyark blieb verwirrt zurück. Was hatte ihm der Alte zu sagen versucht? Und was hatte es mit diesem merkwürdigen Bündel auf sich?
Der Wind blies von draußen einige trockene Blätter herein - der Herbst kündigte sich dieses Jahr in der Tat bereits sehr früh an! Tyark atmete dankbar die Gerüche des Waldes ein, die mit der frischen Luft hineingeweht wurden. Neben ihm zuckte Zaja im Schlaf und er blickte sie lange an. Dann strich er ihr vorsichtig eine Haarsträhne aus dem Gesicht und erwiderte still den Kuss, den er zuvor von ihr erhalten hatte.
Er wollte sich gerade selber zur Ruhe begeben, als sein Blick erneut auf das kleine Bündel fiel, das still auf dem Felsvorsprung lag. Was mochte der Alte darin aufbewahren, dass es ihm so wichtig war? Argwöhnisch beobachtete Tyark den schnarchenden Alten und fasste schließlich seinen Entschluss.
Als er sicher war, dass der Alte tief zu schlafen schien, stand er leise auf und trat vorsichtig an den Felsvorsprung. Er warf noch einen letzten, raschen Blick auf den Alten und begann dann damit, das Bündel vorsichtig zu öffnen. Fast hatte er Sorge davor, was er darin finden könnte – was, wenn der Alte in der Tat ein Kind mit sich herumtrug? Vielleicht eines, das bereits seit Jahren tot war? Tyark gruselte sich etwas, als er die dreckigen Leinen zurückschlug – doch schon bald sah er, dass das schmutzige Bündel vollkommen leer war.
Er schnaufte irritiert und erleichtert. Der Alte hatte in der Tat seinen Verstand verloren. Sanft legte er das schmutzige Bündel wieder zusammen und legte sich neben Zaja. Er blickte das leere Bündel ratlos an und fragte sich, was dem Alten zugestoßen war, dass er so tat, als trüge er ein Kind bei sich. Hatte er vielleicht einmal eines verloren? War es vielleicht getötet worden? Und hatte er vielleicht was mit den Verstümmelungen zu tun, die dem Alten angetan worden waren?
Tyark verzog das Gesicht und mit einem letzten Blick auf den Alten schlief er ein und fiel in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
***
Tyark hatte Zaja gleich am nächsten Morgen von seiner nächtlichen Entdeckung berichtet. »Dann täuscht der Eindruck nicht – der Alte ist tatsächlich irre.«
Nachdenklich hatte sie auf ihrer Unterlippe gekaut und schließlich gesagt: »Vielleicht hat er mehr verloren, als nur zwei seiner Sinne. Vielleicht hatte er ja wirklich mal ein kleines Kind.«, sie hatte gestockt, »Ich will mir gar nicht ausmalen, welches Schicksal sich hinter seinen unruhigen Augen verbirgt!«
Tyark hatte nur ratlos nicken können.
Sie verbrachten drei Tage mit dem Alten – so lange, bis sie sich beide wieder kräftig
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