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Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Titel: Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sulz
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Mal sagen.

    Der Alkoholnebel lichtete sich erst ein wenig, als Tyark die kalten Straßen entlangtaumelte. War es nur einen Tag her, dass er mit Goswin in diesem vermaledeiten Wäldchen gesessen hatte?
    In Tyarks Tasche klimperten einige einsame Kupferstücke – von seinem Gold war nicht mehr viel übrig geblieben. Nein, es musste schon länger her sein. Nebelhafte Erinnerungen an Zechgelage, eine Dirne und ein Kartenspiel um seine Schwarze Klinge waberten durch seinen Verstand. Besorgt tastet Tyark an seinem Gürtel herum und verlor dabei glatt das Gleichgewicht. Fluchend landete er in einer stinkenden Pfütze, doch das laute Klirren seiner Schwarzen Klinge, die nach wie vor irgendwo am Gürtel baumelte, beruhigte ihn rasch. Anscheinend hatte er das Kartenspiel gewonnen! Tyark grinste selig, als er trotz des Alkoholnebels begriff, dass er großes Glück gehabt hatte. Wie war es überhaupt dazu gekommen?
    Tyark kratzte sich den Kopf und überlegte angestrengt – doch mehr als ein vernarbtes Gesicht, das gierig auf die Schwarze Klinge starrte, fiel ihm nicht mehr ein. Er ächzte, als er spürte, dass er auf etwas Hartes in seiner Tasche gestürzt war. Immer noch in der Pfütze sitzend kramte er herum und zog verwirrt einen hölzernen Gegenstand heraus, der sich bei genauerer Betrachtung als grob geschnitzte Holzzwiebel entpuppte. Jetzt fiel es ihm wieder ein! Hatte er nicht erst heute Abend das berühmte Zwiebel-Wettessen gewonnen? Er wusste zwar nicht mehr wo es stattgefunden hatte und warum es angeblich so berühmt war – aber anscheinend hatte er sich auch hier wacker geschlagen!
    Glücklich grinsend stand Tyark strauchelnd auf und wunderte sich kurz, wohin über überhaupt unterwegs war. Erstaunt beobachtete er seinen Atem, wie er in kleinen Wölkchen in den klaren Nachthimmel stieg. Es wieder einmal außerordentlich kalt – was für ein verdorbener Sommer, fürwahr!
    Daimon stand hell am Himmel, sein Schweif strahlte fast ebenso hell. Die nächtlichen Gassen waren in silbriges, aber erstaunlich helles Licht getaucht.
    Aus einigen Häusern hörte Tyark Gelächter und aus so manch anderem auch nächtliches Liebesgeflüster. Irgendwo schrie ein Kind. Tyark blieb staunend stehen. Die Stadt schien geradezu zu atmen, wie ein großes, lebendiges Tier.
    Ein alter, zerzauster Hund trottete ihm entgegen und blieb dann unsicher stehen. Tyark ging in die Knie und strecke seine Hände nach dem Tier aus. Als Tyark leise nach ihm rief, kam der Hund misstrauisch mit eingezogenem Schwanz näher und schnupperte aus sicherer Entfernung an Tyarks Händen. »Du magst wohl keine Zwiebeln, alter Knabe...«, murmelte Tyark vor sich hin und musste leise lachen.
    Das Tier hielt seinen Kopf ängstlich gesenkt und kam noch etwas näher. Tyark redete dem Hund gut zu und zögerlich begann dieser damit, an Tyarks Händen zu lecken. Doch sobald seine Zunge Tyarks Fingerspitzen berührte, zuckte das Tier ruckartig zurück und winselte laut. Rasch rannte das Tier in die dunklen Gassen zurück, aus denen es gekommen war.
    Der Alkoholnebel lichtete sich schlagartig und mit taubem Gefühl im Magen stand Tyark auf. Alles was er vor einigen Tagen erfahren hatte, prasselte wieder auf ihn ein. Das Wort Dämonenjäger brannte in seinem Geist wie ein heißes Feuer. Die grausame Stimme an diesem zeitlosen Ort in den Sternen hallte in seinem Kopf: Eine schicksalhafte Gabe ist in dir erwacht...
    Tyarks Knie begannen zu zittern. Wie eine Flutwelle brandeten plötzlich Erinnerungen an seinen Geist, von denen Tyark dachte, sie wären längst Vergangenheit. Kalter Schweiß brach ihm aus. Fast kam es ihm vor, als röche er seine brennende Heimatstadt. Wie fernes Wispern hörte er die grausamen Kampfgeräusche. Das Brüllen der Horde, das Weinen seiner Mayra. Den schrecklichen Moment, als es abrupt durch einen Axthieb beendet wurde, der ihr den Schädel spaltete. Dann waren die Trümmer der brennenden Decke über Tyark zusammengebrochen und er hatte das Bewusstsein verloren.
    Tyark atmete tief ein und wartete, bis das Zittern aufhörte. Die Erinnerung an seine ermordete Frau hatte seine ganze Seele mit Trauer gefüllt, doch nun spürte er glühenden Zorn in sich aufsteigen. Zorn auf die Horde, die ihm nicht nur seine Frau, sondern auch seine Familie und seine Heimat genommen hatte. Zorn auf den Dämon, welcher all die unschuldigen Menschen getötet hatte. Zorn auf die körperlose Stimme mit ihrer hochnäsigen Bosheit. Und auch namenlosen Zorn auf sich selbst,

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