Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
befestigte Straße. Arana kniete sich sogleich nieder und untersuchte die Steine. Schließlich murmelte sie: »Ich glaube, dies ist eine der vielen alten Reichsstraßen. Vielleicht sogar noch eine des Hohen Reichs!«, sie blinzelte skeptisch in die Ferne, »Und so wie sie aussieht, wurde sie schon sehr lange nicht mehr benutzt.«
Tyark betrachtete zweifelnd die Straße, von der nicht mehr als ein schmaler Pfad übrig war. Die Wegränder von knorrigen Wurzeln und dornigen Büschen geprägt. Dennoch würden sie viel schneller vorankommen als vorher. Der Praemor wies direkt nach Südosten, dieselbe Richtung, in die sich auch die alte Straße schlängelte.
Sie folgten der Straße noch einen ganzen Tag, bis sie schließlich zur Mittagszeit einen Hügel am Horizont sahen, auf dessen Spitze die Reste eines Turmes die Kronen der gewaltigen Bäume gerade noch so überragten. Der Praemor schien ein wenig zu zittern, wies aber immer noch eindeutig auf die Ruine. Sie zogen ihre Rüstungen an und folgten ohne zu sprechen den Resten der alten Straße.
Der Hügel war recht steil und die Straße hier kaum noch zu sehen. Überall lagen alte, moosbewachsene Steine herum, die von einem Gebäude zu stammen schienen. Dann standen sie vor den Resten des Turms, der einmal eine beeindruckende Größe gehabt haben musste. Die Spitze des Turmes war nicht mehr zu sehen, wie ein abgebrochener Baum ragte das Bauwerk in den klaren Himmel. Vögel zwitscherten und der Wind rauschte in den dichten Baumwipfeln des Waldes. Arana flüsterte: »Vorsicht! Tyark, du kommst mit mir. Muras, Zaja – bleibt hinter uns. Wir gehen rein.«
Tyark folgte Arana und beide huschten durch das große Tor, dessen Stützpfeiler mit steinernen Fratzen verziert war, die aber fast alle der Witterung zum Opfer gefallen waren. Der Turm war in seinem Inneren leer, über sich konnte Tyark den Himmel sehen. Ein verkrüppelter Baum hatte hier Wurzeln geschlagen und kämpfte sich an der Innenseite der Turmmauern in Richtung Sonne.
Arana machte ihm stumm Zeichen und zeigte auf Stufen, die in ein dunkles Gewölbe führten. Der Praemor zitterte leicht in seiner Hand. Arana ging mit gezückten Kataren vor und schritt katzenhaft die Stufen in den dunklen Bauch des Turms herunter. Tyark folgte ihr. Die Luft war kalt und klamm hier unten, irgendwo tropfte Wasser. Schon nach wenigen Schritten erhellte nur noch spärlichstes Licht das Gewölbe; um noch etwas zu erkennen, mussten sie erneut ihre Lichtkristalle nutzen.
Das Gewölbe unter dem Turm war nicht sehr groß und bestand nur aus einer Halle, in deren Wände durch regelmäßig Nischen eingelassen waren. Sogleich sah Tyark die bekannte Form eines großen Quaders, der auf dem lehmigen Boden der Halle lag. Ein Portalstein. Aufmerksam blickte er um sich. War die Medusa hier? Jeder Muskel in seinem Körper war angespannt, jedoch spürte er keine unmittelbare Gefahr. Dennoch zuckte er zusammen, als Muras beim Betreten der Halle einen kleinen Stein die Stufen heruntertrat.
Dann fiel sein Blick auf etwas Bleiches, dass am hintersten Ende der Halle an der Wand zu sitzen schien, direkt gegenüber dem Portalstein. Arana hatte es bereits bemerkt und war neugierig herangetreten. Tyark hörte, wie sie leise schnaubte. Es war das zusammengesunkene Skelett eines Menschen. Tyark sah, dass der Mensch einmal an die Wand des Turmes angekettet worden sein musste, da über dem Skelett noch rostige Ketten mit Ringen baumelten. In einem steckte ein Fetzen Kleidung von derselben verblasst-rötlichen Farbe wie sie auch das Skelett trug.
Arana sagte leise: »Armer Teufel. Ich glaube fast, sie haben den hier einfach hängen lassen. Irgendwann ist dann sein verfaulter Körper zu Boden gefallen.«, sie trat etwas näher, »Die Knochen sind schon sehr alt. An einigen Stellen sind Pilze gewachsen.«
Sie zuckte mit den Schultern, dann sagte sie: »Hm, seltsam!«
Tyark runzelte die Stirn und sagte heiser: »Was? Was ist denn noch seltsamer als das?«
Arana blickte ihn missbilligend an und erklärte: »Nun, seltsam ist, dass kein Schädel vorhanden ist.«
Sie stocherte mit einem ihrer Katare im Knochenhaufen, der mit einem trockenen Geräusch weiter in sich zusammensackte. Tyark empfand leichten Ekel. Schließlich sagte Arana beiläufig: »Nein, kein Schädel. Warum sollte man einen Geköpften an die Wand eines Turms ketten? Oder einen Angeketteten köpfen?«
Sie seufzte. »Nun, die Menschen, die das hier einst angerichtet haben, werden ihren Grund gehabt
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