Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
beschuldigt worden sein?«
Die um sie herum stehenden Dorfbewohner wurden langsam lauter, einzelne ärgerliche Stimmen waren zu hören, der Kreis wurde enger. Tyark begann zu schwitzen und seine Hand suchte heimlich den Griff seines Schwerts.
Mandolf beruhigte sich langsam. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und atmete tief durch. »Ja, verzeiht. Es ist vielleicht nicht richtig, Euch für das abscheuliche Verbrechen eines Glaubensbruders verantwortlich zu machen.
Ich möchte euch hinein bitten. Ich...ich vergaß einen Moment unsere Traditionen und die Gebote der Berge.«
Sie ließen die wütend murmelnde Menge hinter sich zurück, nur wenige der Dorfbewohner gingen in ihre Häuser zurück. Tyark war die ganze Stimmung unheimlich. Etwas ging hier vor, auch die Menschen waren seltsam, ihre ärgerlichen Reaktionen auf Zaja kamen ihm recht unnatürlich vor.
Etwas Schlimmes musste passiert sein, Trauer schien zwischen den Dächern der armseligen Hütten wie ein Gespinst zu hängen.
***
Mandolf schenkte ihnen allen einen würzig schmeckenden Kräutersud ein, nur ein leises Zittern seiner Hand verriet die innere Anspannung. Tyark bemerkte, dass Zaja auch innerhalb des Hauses ihre Kapuze aufbehielt, wenn auch leicht zurückgeschoben.
Mandolf setzte gerade zu einer Frage an, als die Tür krachend aufgestoßen wurde. Tyark und Pereo erhoben sich hastig, Tyark entging nicht, dass auch Pereo sein Schwert griffbereit getragen hatte.
»Wo ist die verdammte Windbraut, die all die Kinder auf dem Gewissen hat? Wo ist diese Ausgeburt der 99 Höllen, dieses verdammten Ordens, der seine Meuchler zu friedliebenden Leuten schickt? Wo!«
In der Tür stand ein sehr alter Mann, dessen spärliches weißes Haar wirr und filzig den Kopf herunterfiel. In der Hand trug er einen Stock und nach seinen wüsten Beschimpfungen kam er drohend und keuchend auf Zaja zu. Diese hielt sich bleich am Tisch fest und trotz der gefährlichen Beleidigung ihres Ordens entgegnete sie nichts.
Mandolf sprang hinter dem Tisch hervor und stellte sich dem tobenden alten Mann in den Weg. Die blassen blauen Augen des Alten sprühten Zorn und einen Hass, wie ihn Tyark selten gesehen hatte. Irgendwie erinnerte ihn der alte Mann an den tobenden Wolf, den er im Wald erschlagen hatte.
»Vater! Sie ist von ihrem Orden hierher geschickt worden, um Rynns Verschwinden und das der Kinder zu untersuchen! Die Gebote der Berge schreiben uns Höflichkeit und vor allem Friedlichkeit gegenüber unseren Gästen vor! Sie hat sich keines Verbrechens schuldig gemacht! Bitte, Vater!«
Der Alte ließ sich nur schwer beruhigen, in seine gezischten Anschuldigungen mischen sich nun auch dunkle Drohungen. Nur mühsam gelang es Mandolf schließlich, seinen geifernden Vater zu zähmen.
Der alte Mann brach plötzlich in Tränen aus, spuckte dann aber bösartig auf den Boden vor ihnen und zog sich lärmend ins Obergeschoss zurück.
Zaja hatte die Augen geschlossen, ihre Lippen waren zu einer schmalen Linie gepresst. Es fiel ihr offensichtlich schwer, die Fassung zu wahren und es dauerte eine Weile, bis sie bereit war, sich wieder zu setzen – ihren Kampfstab in Reichweite.
»Verzeiht meinem Vater, er ... nun, er ist alt. Und das was vorgefallen ist – nun, kein Alter der Welt kann den Geist vor dem Entsetzen schützen. Auch mir fällt es schwer.«
Ein schwerer Hustenanfall erschütterte Mandolf. Zaja nickte kurz. »Ich verzeihe euch. Und ich verzeihe eurem Vater. Bitte – schildert mir, was passiert ist. Was ist mit den Kindern? Was ist mit meinem Bruder? Mit Rynn?«
Mandolf blickte mit wässrigen, müden Augen in das kleine Kaminfeuer und erzählte es ihnen schließlich.
Die Nacht war längst eingebrochen, als Mandolf seine Schilderung beendet hatte. Bleich lehnte er sich zurück und beobachtete Zaja mit müden und geröteten Augen.
Tyark war entsetzt über das gerade Gehörte, er spürte leichten Schwindel in sich aufsteigen. Pereo saß wie versteinert am großen Eichentisch und schien auf etwas in weiter Ferne zu blicken. Offensichtlich war es vor einem Monat passiert: Der Ordensbruder, Rynn, hatte sich wohl schon die Wochen davor recht merkwürdig gezeigt, war häufig allein in die Riesengrate gestiegen und oft erst nach Tagen wieder heimgekehrt.
Auch schien er zunehmend abwesend zu sein und auf Fragen gab er, wenn überhaupt, nur merkwürdige, verworrene Antworten. Da er erst seit zwei Jahren hier wohnte, hatten es die Dorfbewohner zunächst nicht weiter ernst
Weitere Kostenlose Bücher