Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
Versuch, wahrhaftige Macht zu besitzen.
Er spürte eine nagende Leere in seinem Herzen. Dort, wo einmal die Großen Alten gewesen waren. Wo Zaja einst gewesen war. Jetzt war dort nur noch eine tiefe Kluft – und Tyark spürte den unbestimmten, stärker werdenden Drang, sie zu füllen.
***
Die Fürstin blickte in den glattpolierten Spiegel. Andere nannten sie trotz ihres Alters immer noch eine der schönsten Nebenfrauen Kaliths. Obwohl die Tradition ihr einen Ehemann verwehrte, mangelte es ihr an keinem Tag an willigen Freiern, auch aus Reichen, weit jenseits ihrer geliebten Wüste. Und doch sah sie nur die vielen kleinen Makel in ihrem Gesicht. Die vielen Unvollkommenheiten. Die vielen Spuren des Alters. Die Fältchen um die milden, braunen Augen. Die grauen Strähnen in ihrem schwarzen Haar, das ihr bis zu den Füßen reichte. Ihr Reich war gewaltig und ihre Macht war groß – doch niemand ahnte, welch dunklen Ängste ihr Herz heimlich füllten. Sie war nun schon 40 Jahre alt und der Sommer des Lebens neigte sich langsam dem Herbst zu. Es würde nicht mehr lange dauern und ihre sagenhafte Schönheit war dahin. Was würde aber dann noch von ihr bleiben? Was würde sie dann in ihren zahllosen Spiegeln erblicken?
Sie schickte Kundschafter in alle Richtungen des Himmels aus. Sie sollten ihr Rezepte bringen, Reagenzien, Salben – alles, was das unaufhaltsam fortschreitende Alter aufhalten könnte. Alles! Nichts war ihr zu teuer, kein Weg schien zu weit. Ihre Priester sollten die Götter der Wüste anbeten, sollten ihnen die Schönheit ihrer Herrscherin als Geschenk abtrotzen. Doch die Götter blieben stumm. Fürstin Rahera, die Götter schweigen, die Götter antworten nicht! lamentierten die jämmerlichen Priester. Und alles, was aus fernen Ländern zur Fürstin zurückkehrte, erwies sich als Trugbild. Unbeschadet dessen, was sie versuchte - voller Panik im Herzen sah sie, dass jeden Morgen schon eine neue Falte, ein neues graues Haar ihr wundervolles Antlitz verunstalteten. Selbst ihre Augen schienen immer blasser zu werden, überall wurde ihr Körper welk und alt. Die Fürstin war verzweifelt und schon bald ließ sie alle Spiegel entfernen, ertrug sie doch ihr eigenes Spiegelbild nicht mehr. Hatte es nicht zuletzt sogar aus einer hässlichen Fratze zu ihr gelacht, sie verhöhnt?
Sie ließ den begabtesten Schmied zu sich rufen, den ihr Reich zu bieten hatte. Er fertigte ihr eine silberne Maske an, damit wenigstens das Metall ihre legendäre Schönheit für immer bewahre! Er arbeitete sieben Tage und sieben Nächte und schließlich ward die Maske fertig. Sie war ein wahres Meisterwerk und ihrer Schönheit nur noch durch die Fürstin selbst übertroffen. Doch als die Fürstin das Kunstwerk sah, erblickte sie nur die verzerrten Züge einer alten, bitteren Frau. Ihr Herz verzagte, niemand durfte sie so sehen!
Die Fürstin zog sich in die dunklen Keller ihrer Festung zurück, niemand durfte sie mehr sehen. Sie verbarg sich hinter Tüchern, sodass selbst ihre Diener im Laufe der Jahre das Antlitz ihrer Herrin vergaßen. Doch die nagende Angst in ihrem Herzen konnte die Fürstin nicht verbergen und nicht vergessen. Sie spürte, wie sich die Zeit an ihrem Fleisch labte, stetig, unbeirrbar. Pausenlos ließ sie die Priester die Götter anrufen, warum erhörten sie sie nicht?
Die Fürstin wurde immer verzweifelter. Doch dann, als sie es schon gar nicht mehr zu hoffen wagte, erschien eine geheimnisvolle Botin in ihrem Palast. Sie bringe Kunde von den mächtigen Priesterinnen aus dem Osten des Reichs. Die Götter selbst hätten ihnen von den Nöten der Fürstin berichtet – und ihnen gesagt, wie sie der Fürsten würden helfen können.
Und schließlich, am höchsten Feiertage ihres Reiches zeigte sich die Fürstin wieder ihrem Volke! Voller Erstaunen sah man sie im hellen Lichte der Sonne – sie war atemberaubend schön geworden! Keine Falte zeigte sich, kein graues Haar war zu sehen. Sie glich der Frau, die sie vor vielen Jahren einmal gewesen war und der Lieder gesungen wurden. Ihre Gebete seien endlich erhört worden, verkündete die Fürstin. Die Götter hätten ihr ihre Jugend zurückgebracht! Das Fest zu ihren Ehren sollte viele Monde lang dauern und Kunde davon erreichte selbst ferne Gestade.
Doch mit der Zeit krochen üble Gerüchte durch die Straßen und Häuser ihres Reiches. Nur Gewisper zunächst – waren nicht all die jungen Diener verschwunden? Und die Dienstmädchen? Wurden nicht ohne Unterlass neue
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