Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
ihren steinernen Armen die geschwungene Decke zu stützen schienen. Sie schienen Zeremoniengewänder zu tragen und hatten seltsamerweise die Geschlechtsmerkmale von Männern und Frauen zugleich. Tyark bemerkte, dass alle diese Menschen ein drittes Auge auf der Stirn trugen, welches, wie die anderen Augen auch, geschlossen war. Seine schwitzende Hand schloss sich fest um den Griff der Schwarzen Klinge. Er wurde etwas ruhiger.
Seine Schritte hallten dumpf von den Wänden wieder, als er vorsichtig in Richtung des Durchganges ging. Die Halle selbst schien in einem kaum beschreibbaren, goldenen Licht zu glimmen, das unheimlich zwischen den Fugen der groben Steine des Mauerwerks leuchtete, ohne dass eine Quelle erkennbar war.
Verwirrt nahm Tyark den unverkennbaren Geruch des Todes wahr. Er blickte sich um und dann fiel sein Blick an sich selbst herunter und er erschrak: Seine Arme waren bis zu den Ellenbogen mit Blut bedeckt. Panisch untersuchte er seinen Körper, doch er konnte keine Wunde finden. War dies nicht sein Blut? Wessen war es dann?
Als er das Blut hastig von seinen Armen gewischt hatte, erblickte er erschrocken ein ihm bekannt vorkommendes Symbol, das in seinen Handflächen schimmerte. Hastig versuchte er, es zunächst abzuwischen, dann kratzte er fast besinnungslos daran. Doch das Symbol glomm weiter in seiner Hand, als sei es Teil seiner Haut. Ein kalter Schauer schoss seinen Rücken herunter, als ihm langsam dämmerte, wo er dieses seltsame Symbol bereits gesehen hatte. Es war das Symbol Ronwes. Muras hatte es ihm gezeigt. Und er hatte es den Gefangenen aufgemalt, bevor er sie getötet hatte - bevor er sie geopfert hatte.
Tyark ließ die Arme sinken und schloss einen kurzen Moment die Augen. Das Blut an seinen Händen war nicht von ihm. Und er würde es nicht einfach abwischen können. Er öffnete die Augen wieder und blickte auf das Ende der Halle. Ein reich verzierter Torbogen spannte sich darüber, seltsame steinerne Gestalten schlängelten sich daran von einem Ende zum anderen. Erst jetzt bemerkte Tyark, dass Teile des Torbogens überhaupt nicht miteinander verbunden waren. Sie schwebten vollkommen still in der Luft, als würden sie von unsichtbaren Händen gehalten. Unvermittelt überkam ihn sein Gewissen wie ein Schlag in die Magengrube. Tyark krümmte sich und japste nach Luft. Er hatte diese Menschen einem Dämon geopfert ! Auch wenn sie verurteilte Verbrecher gewesen waren – war es vielleicht doch falsch gewesen!
Ein kalter Lufthauch strömte aus dem Torbogen vor ihm heraus und ein leises Knirschen erfüllte die Halle. Tränen brannten in Tyarks Augen und er hätte sich sehr gewünscht, wieder weinen zu können. Doch dann richtete sich entschlossen auf. Nein. Das Böse musste bekämpft werden, auch um den Preis einiger Menschenleben, die doch ohnehin verwirkt gewesen waren! Manchmal musste das Böse mit Mitteln bekämpft werden, die vielleicht nicht immer dem entsprachen, dem Goswin oder andere zustimmen könnten!
Aber Tyark würde dadurch zahllosen anderen das Leben retten – und war dieses Ziel den Preis nicht wert? Selbst wenn es bedeutete, einen Pakt mit einem Dämon eingehen zu müssen! Zumindest vorerst. Er atmete tief durch und schritt in die Dunkelheit hinter dem Torbogen. Hinter ihm hatte sich bei allen Statuen das dritte Auge geöffnet.
***
Blutverschmierte Treppenstufen fielen nach unten ab. Sie waren merkwürdig hoch, als ob ihre Erbauer nicht menschliche Gliedmaßen als Maßstab verwendet hätten. Tyark hatte Mühe, sie herunterzusteigen, ohne herunterzufallen.
Immer tiefer führten sie in dunkle Kälte herunter, die kargen Wände schienen immer näher zu kommen. Das seltsame Licht aber blieb konstant, als ob es von einer weit entfernten Quelle käme. Der Abstieg kam Tyark wie eine Ewigkeit vor. Dann sah er irgendwann tief unter sich ein Licht in der Dunkelheit glimmen. Seine Handflächen kribbelten. Jeder Muskel seines Körpers schien gespannt, als er sich dem Licht näherte. Es schien ein weiterer Torbogen zu sein, der tief unten ein sanftes Licht abstrahlte. Tyark fröstelte, da es unheimlich kalt hier unten war. Doch es war keine gewöhnliche Kälte – es war eine dämonische Präsenz, die er spürte. Ronwe.
Dann stand er endlich vor dem Tor, welches fast doppelt so groß wie er selber war. Überrascht sah er, dass es aus massivem Gold zu bestehen schien und ein eigenes, geheimnisvolles Leuchten von sich gab. Seltsame, verschnörkelte Symbole waren darin eingelassen.
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