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Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Titel: Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sulz
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Krähen auf den Ästen der Bäume. Er fing an zu schwitzen.
    Tyark wendete sich wieder der ersten Krähe zu - und sprang einen Schritt zurück. Das dreiste Tier saß plötzlich nur noch zwei Meter von ihm entfernt auf dem Boden! Der kleine Kopf mit dem halb geöffneten Schnabel bewegte sich ruckartig. Tyark blickte in die tiefschwarzen Augen des Tieres - lag nicht fast so etwas wie Spott darin? Oder vielmehr eine grenzenlose, boshafte Freude?
    Tyark hatte das überwältigende Gefühl, weglaufen zu müssen. Seine Muskeln spannten sich an, sein Körper bereitete sich auf Flucht vor. Er ballte seine Hände zu Fäusten, spürte, wie schweißnass sie waren. Warum hatte er Angst vor diesen verdammten Vögeln?
    Sie sehen aus wie Vögel. Doch sie viel mehr. Viel mehr. Ihre Augen sind Spiegel!, dachte Tyark und wunderte sich gleichzeitig darüber, was er gerade zu sich selbst gesagt hatte. Aber er verstand. Etwas beobachtete ihn, hinter dem Spiegel der schwarzen Äuglein der Tiere. Etwas, dass seine Angst genoss und grausame Freude und eine völlig unbegreifbare Neugier dabei empfand.
    Auf einmal hatte Tyark das Gefühl, aus seinem Körper zu gleiten. Noch bevor er überhaupt Zeit hatte, Panik zu empfinden, sah er sich plötzlich von demselben, unruhigen Zwielicht umgeben, das er bereits kannte. Er wunderte sich nur kurz darüber, wie er es geschafft hatte, in diese Zwischenwelt zu gelangen. Schlief er vielleicht noch?
    Rasch dreht er sich nach den Krähen um. Er sah die schattenhaften Gestalten der Krähen auf den Bäumen, ihr Körper schien ein warmes Licht zu umgeben. Kleine, goldene Fäden verließen ihre Körper und verschwanden irgendwo im Zwielicht. Doch in ihrem Gold war noch etwas anderes. Etwas Dunkles. Vorsichtig streckte er seine Hand aus, um nach einem der Fäden zu greifen. Als er ihn kurz berührte, geschah etwas Merkwürdiges. Bilder durchzuckten ihn. Sinneseindrücke. Er sah dichten Wald, allerdings wie aus großer Höhe. Er spürte den Wind an seinem Leib. Und er sah eine dunkle Höhle vor sich. Ihr Eingang gähnte wie ein Schlund in einem Abhang aus Kies.
    Bevor Tyark sich weiter wundern konnte, wurde er bereits in seinen Körper zurückgezogen.
    Verwirrt blickte er sich um. Er war wieder in der wirklichen Welt. Kein Zwielicht umgab ihn mehr, kein Lichtschein und keine geheimnisvollen Fäden waren mehr zu sehen.
    Die Krähen sahen aus wie vorher – und doch schienen sie plötzlich unruhiger zu sein. Sie krächzten und Tyark meinte zu erkennen, wie der Blick dieser schwarzen Augen weniger dunkel war als zuvor. Als sei ein dunkler Schleier verschwunden, der vorher darüber gelegen hatte.
    Tyark ging einen Schritt auf die Krähe vor ihm. Die Krähe krächzte noch einmal laut und flog dann mit einem kleinen Hüpfer davon. Auch hinter sich hörte Tyark Flügel schlagen.
    Erleichtert sah er den Tieren hinterher, die rasch an Höhe gewannen und dann krächzend über den Baumwipfeln verschwanden.
    Unwillkürlich musste er lächeln, denn er spürte eine Stärke in sich, die neu für ihn war. In Gedanken versunken begann er, einem kleinen Trampelpfad in die Wälder zu folgen, der sich vor ihm auftat.
    Er war erst wenige hundert Meter in den schattigen Wald gegangen, als er vor sich Stimmen hörte.
    Neugierig ging er auf die Stimmen zu und blieb am Rande einer kleinen Lichtung stehen. Zunächst sah er Zaja, wie sie auf Knien über den Waldboden kroch und sich nach irgendwas bückte. Dann sah er eine scheinbar uralte, runzlige Frau aus einem Gebüsch kriechen. Sie war in eine stark zerschlissene Gewandung gehüllt und hielt einen zerschlissenen Korb in der Hand.
    Tyark runzelte belustigt die Stirn und trat dann näher. Je näher er kam, desto deutlicher wurde, dass die Alte die älteste Frau sein musste, die er je gesehen hatte! Ihr Gesicht schien nur noch aus Falten zu bestehen, die hochgekrempelten Ärmel gaben den Blick auf dürre, mit unzähligen Altersflecken übersäte, sonnengebräunte Arme frei.
    Zaja blickte auf, lächelte und rappelte sich auf. Sie nahm die Alte beim Arm, legte ihr kurz die Hand auf die Schulter und sprach etwas direkt in ihr Ohr.
    Tyark bemerkte, dass die Augen der Alten fast vollständig weiß waren. Er nahm an, dass sie entweder blind war oder kaum noch etwas sehen konnte.
    Die fremde Frau nuschelte derweil einige Worte zurück und machte sich dann wieder daran, den Waldboden nach etwas zu durchwühlen. Tyark lächelte Zaja zaghaft zu. »Zaja – schön dich zu sehen! Was im Namen der

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