Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)
und war doch gleichzeitig merkwürdig aufgedreht.
Zaja lag nicht mehr neben ihm, sie schien bereits aufgestanden zu sein. Tyark nahm an, dass sie wieder am Waldrand beten würde, so wie sie es jeden Morgen zu tun pflegte. Vielleicht würde er später mitbeten, die Gnade der Großen Alten konnte er wahrhaftig gut brauchen!
Hastig stopfte er sich die Reste des muffig schmeckenden Brotes in den Mund, welches sie am Abend der Ankunft von Mandolf erhalten hatten. Als er aus der Tür trat, durchflutete heller Sonnenschein den kleinen Raum. Tyark blinzelte geblendet und genoss die wunderbar frische Bergluft, die angefüllt war vom würzigen Duft der Nadelbäume und dem Geruch nach Felsen und Erde.
Er schlenderte gedankenverloren durch das Dorf. Die Wege waren mittlerweile trocken, er sah zahlreiche Bewohner ihren Tätigkeiten nachgehen. Nur der dunkle Gesichtsausdruck mancher Bauern erinnerte ihn wieder daran, was hier vor wenigen Wochen passiert war. Manches Mal wurde er geradezu feindselig angeschaut und er fragte sich, woher dieser Hass kam. Weder er noch seine Begleiter waren für das Geschehene verantwortlich!
Während er darüber grübelte, hörte er lauten Streit vom Dorfplatz – schon bald erkannte er die schrille Stimme des greisen Vaters von Mandolf. Als er näher kam, sah er bereits eine kleine Ansammlung von Menschen, darunter auch Pereo, Mandolf und der keifende Greis. Als der Greis Tyark erblickte, streckte er seinen dürren Zeigefinger aus und führte dann mit der ausgestreckten Hand eine Geste aus, als ob er etwas von einem Tisch wischen wollte. Aus der Reaktion der Umstehenden schloss Tyark, dass dies nicht gerade eine freundliche Geste gewesen sein konnte.
Der Alte keifte nun Unverständliches in Richtung Tyark. Er verstand wenig, da der Greis einen recht starken Dialekt hatte, doch die in seine Richtung fliegenden Speichelfetzen waren Hinweis genug. Mit hochrotem Kopf verschwand der Alte schließlich in seinem Haus und ließ einen ratlosen Pereo und Mandolf zurück.
Zögerlich trat Tyark zu den anderen und fragte verwirrt: »Was war los? Warum hat er mich beschimpft?«
Mandolf räusperte sich und Tyark fiel auf, wie blass er heute war. »Es – tut mir leid. Mein Vater ist eigentlich kein aufbrausender Mensch. Zumindest war er das früher nicht. Und so...unhöflich wie heute habe ich ihn noch nie erlebt. Es wird das Verschwinden der Kinder sein, das ihn so aufregt. Das uns alle sehr trifft. Ich bitte dich darum, ihm zu verzeihen. Ich kenne ihn so gar nicht...«
Ratlos blickte Mandolf auf die geschlossene Tür hinter ihm. Pereo nickte nur und sagte knapp: »Wir sollten bald aufbrechen und auf die Suche gehen. Der Winter wird früh kommen dieses Jahr.«
Tyark suchte in dem narbigen Gesicht nach einem Anzeichen von Trauer oder Bestürzung – schließlich war doch das Kind seiner Halbschwester verschwunden! Doch in Pereos dunklem Auge war nichts zu erkennen, sein starres Gesicht verbarg, was auch immer dahinterliegen mochte. Tyark nickte daher bloß und beschloss auf Pereos Vorschlag hin, ihn zu Humbor dem Schmied zu begleiten.
Während er trübselig über die aufgeweichten Pfade schritt, tauchte hartnäckig immer wieder ein Bild vor seinem inneren Auge auf, egal, wie oft er auch versuchte, es wegzuwischen. Ein kalter Schauer rann seinen Rücken hinunter, obwohl ihm in der Sonne mittlerweile ziemlich warm geworden war.
Immer wieder sah er lange, weiße Finger, wie sie sich zärtlich um den fast kahlen Kopf des Greises schmiegten. Und immer wieder sah er ihren perfekten Mund, ahnend, dass hinter der Fassade ein dunkler Abgrund lauerte. Und er sah, wie die Frau stumme Worte in die Ohren des Alten träufelte. Worte, die Tyark nicht hatte hören können – doch sie hatten sich angefühlt wie Gift.
Humbor war etwa so groß wie Tyark, relativ beleibt und hatte Oberarme wie Baumstämme. Auf seinem halbkahlen Schädel glitzerten Schweißtropfen. Er bearbeitete das Metall irgendwelcher Feldgerätschaften, als sie sich der kleinen Schmiede näherten.
Humbor blickte auf und sein bärtiges Gesicht huschte desinteressiert über Tyark, dann grüßte er Pereo brummig: »Mögen die Riesen mit dir sein, Pereo! Wurde Zeit, dass du mich besuchen kommst!«
Pereo lächelte, soweit sein vernarbtes Gesicht dies zuließ. »Sie seien auch mit dir, alte Windbraut!«
Humbor blickte Pereo funkelnd an und einen Moment hatte Tyark die Sorge, dass sich auch der Schmied ihnen gegenüber feindlich zeigen würde. Doch dann
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