WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
zog den Ast durch ihre Handflächen, und Felim sah, wie der Bast aufplatzte und sich krümmte, die Oberfläche schwarz wurde und an der Spitze ein Feuer loderte. Die Hexe erstickte das Feuer mit ihren Händen.
„Hier“, sagte sie, „die Haselnuss, im Feuer gehärtet und eine Spitze so schwarz, wie sie zu einem Magier passt.“
„Ich bin kein Magier“, protestierte Felim.
„Wenn du ihm nahe genug kommst, stoße ihm den Ast wie einen Spieß in die Brust. Das ist deine einzige Möglichkeit, ihn zu töten.“
„Ihr kommt nicht mit mir?“
„Warum sollte ich. Der Konflikt zwischen einem Magier und der Stadt, die mich hinausgeworfen hat, geht mich nichts an. Ich habe mit der Stadt nichts mehr zu tun. Nur hin und wieder lasse ich dem Rat eine Nachricht zukommen, und er bringt mir dann das, was ich haben will.“
„Und wenn der Rat beschließen sollte, dir nichts zu bringen?“
„Dann komme ich und hole es mir. Ich bekomme immer, was ich will. Und ich bin nicht bescheiden. Doch war das nicht immer so. Als Menthils Vater und seine Freunde mich vertrieben, war ich nicht mehr als ein Kräuterweib, das etwas von den Kräften verstand, die in den Tieren und Pflanzen gedeihen. Und es brauchte einige Zeit der Über-zeugung, bis sie verstanden, wie sehr ich das Feuer liebte und das Feuer mir gehorchte.“
„Und was fordert ihr vom Rat?“, fragte Felim
„Nur dies und das. Was man so braucht und in der Wildnis nicht fin-det“, sagte die Hexe und lächelte, wie sie Felim so anschaute, dem immer merkwürdiger wurde.
War er es vielleicht oder jemand wie er, den die Hexe gefordert hatte? Sie musste einsam sein hier draußen. Aber dann ergab die Geschichte mit dem Magier keinen Sinn. Und die Hexe bestätigte, was der Rat ihm erzählt hatte. Nur wie er, Felim, allein, mit nichts als einem Haselnuss -stab bewaffnet, einen dunklen Magier aufhalten sollte, wozu noch nicht einmal die königliche Armee in der Lage war, das wusste er nicht.
„Und nun geh“, sagte die Hexe. „Wenn du den Magier verpasst, bleibt von der Stadt nur Asche übrig.“
Felim verstand, dass er nicht mehr erwünscht war. Er würde den Magier nicht besiegen können, aber vielleicht war ja auch alles ganz anders. Und über alles konnte man reden. Schließlich wollte der Magier ja gar nichts von ihm. Diese Herrscher der Dunkelheit hatten ihre eigenen Ziele und gingen ihre eigenen Wege. Und ganz bestimmt würde ein Magier nicht auf einer staubigen Handelsstraße entlang wandern wie ein fahrender Händler.
Felim warf noch einen sehnsuchtsvollen Blick auf die Hexe und ihre roten Haare. Ob er jemals zu ihr zurückkehren würde? Bei all ihrer Schönheit – Felim wagte, es zu bezweifeln. Aber wenn nicht – schöne Frauen gab es überall.
Die staubige Straße war leer. Die Sonne stach, und selbst die Vögel schwiegen ermattet. Das Gras am Wegesrand duckte sich, erschien Felim mit jedem Schritt flacher, bis die Furcht ihn zwang stehen zu bleiben. Ein hochgewachsener Mann kam ihm in einiger Entfernung entgegen. Dunkel gewandet mit langsamem Schritt, der die Entfernung trotzdem aufzufressen schien.
„Ihr seid ein Magier, mein Herr?“, fragte Felim verblüfft, als der Frem-de vor ihm stand.
Der Magier blieb stehen. „Wer will das wissen?“
„Felim, Herr, Felim. So nannten mich meine Eltern. Der Rat der Stadt hat mich geschickt, Euch zu begrüßen und nach Wohin und Woher zu fragen. Und ob wir vielleicht gefällig sein könnten?“
Felim hatte das Gefühl, dass der Magier während seiner wenigen Worte noch dunkler geworden war. Die Luft schien sich um ihn herum zu-sammenzuziehen und wirkte auf einmal so kompakt wie verfilzte Schafswolle. Felim rang nach Luft.
„So mancher hat versucht, mich zu täuschen, und so mancher war d abei erheblich geschickter als du. Keiner von ihnen hat es überlebt. Aber es war auch keiner von ihnen so jung wie du. Vielleicht lasse ich dich am Leben. Wir werden sehen.“
Der Magier hatte seinen Satz noch nicht beendet, als Felim einen sen -genden Schmerz verspürte. Von der rechten Schulter über das Schulter-blatt grub er sich in das Fleisch, sparte die Mitte des Rückens aus, in der sich sein Rückgrat erfolgreich zwischen zwei Muskelsträngen ver-steckte und schnitt dann durch die weiche Haut über seiner Hüfte.
Felim machte einen Sprung in die Höhe wie ein erschrockenes Kanin -chen. Für einen Augenblick kam ihm der Gedanke, dem Magier seinen zugespitzten Stock in die Seite zu stechen, aber sein Körper
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