WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
einem Blutopferritual. Ygorroriul Lavapfeil, Hohepriester der schwarzen Göttin, der alles gebärenden, alles verschlingenden Erd -mutter Xorgolgorchara, hatte die schönste Elfe der Waldverwandten geschändet und in einer Obsidiangruft gefangen gehalten. Dort sollte sie ihr Kind zur Welt bringen, ein Kind, in dem die Liebe zum Leben der Waldelfen mit der Mordlust der Todesalben verschmolz. Das Herz des Säuglings hatte der Hohepriester der schwarzen Göttin als Opfer versprochen. Doch Iliolin war entkommen, hatte sich in einer Grotte unter dem Rosensee verborgen und das Kind großgezogen, Morgentau hatte sie es genannt.
„Ich weiß noch, wie Biolgilol mich das erste Mal sah, als ich aus der Grotte hinaus durfte.“
„Ja, mein Morgentau, und er nannte dich Mäuschen, weil deine Haut grau schimmerte wie Mäusefell.“
Xorxoril kletterte das Weidennetz hoch zum Eingang seines Mutter -hauses. Sie drückte ihn an ihre Brust. Zwölf Winter waren keine Zeit für eine Elfe und nur ein Sohn konnte die feinen Falten an ihren Augen erkennen, fein wie Spinnweben.
Xorxoril blickte sich um. Der Tisch aus Erlenästen, das Bett aus Rosen -holz, alles war wie damals. Über dem Bett hing das Bild von ihm und seiner Schwester, das Bild, das Gilgialin Birkenzweig, der Dorfkünstler, damals gemalt hatte.
„Kochst du uns einen Krokustee ?“, fragte der Sohn seine Mutter.
„ Ja, mein Morgentau, du hast ja einen harten Weg hinter dir. Aber sag, warum trägst du die Kleidung der Buchenwächter?“
„ Ich habe die Wachen getötet.“
„ Mein Sohn, du hast dich mit Blut befleckt. Jetzt kannst du nicht mehr hier bleiben. Du hättest dich doch an ihnen vorbei schleichen kön-nen.“
„ Ich musste ein Opfer bringen. Ich kann nicht mehr zurück, ich will nicht mehr zurück. Ich diene einer höheren Macht“ , dachte sich der Rückkehrer und erkannte an den Iliolins Augen, dass sie seine Gedanken erraten hatte.
Das Baumhaus duftete vom kochenden Krokuswasser, dann trank Xorxoril aus einem Rindenbecher.
„ Die Zeit bei den Dunkelelfen hat dich verroht, mein Junge. Früher konntest du nicht einmal ein Eichhörnchen umbringen. Du hast nur Früchte und Pflanzen gegessen, weil du kein Tier töten wolltest.“
Xorxoril fixierte seine Mutter mit seinen smaragdfarbenen Augen. Der Blick hätte einen Menschen wohl erzittern lassen, aber nicht Iliolin: „Sie haben andere Sitten dort unten, Mutter. Sie feiern nicht das Leben, denn das Leben ist nur ein Atemzug auf dem Weg in das Reich der Muttergöttin. Sie verehren die Göttin Xorgolgorchara, die Todes-mutter, die alles Lebende in sich aufnimmt, nachdem sie es in die Welt hinaus geworfen hat. Nicht Bardensang und Liebesspiel, sondern Krieg und Mord zeigen die Ehrerbietung der Göttin gegenüber.“
Seine Mutter blickte ihrem Sohn entsetzt in das Gesicht: „Das ist ja schrecklich. Warum bloß hat dich damals das Waldvolk diesen Unge-heuern ausgeliefert? Du redest, als wärest du ein Schwarzelf.“ Sie formte ihre Hände zum Halbkreis der Mondsichel und sang das alte Zauberlied, mit dem sie ihre Kinder einst vor den Kreaturen der Nacht, den Blut saugenden Elfenvampiren, den Todesfeen und den lebenden Toten geschützt hatte.
Xorxoril zitterte und umklammerte den Fangzahn der Todesmutter an seinem Gürtel aus Zwergenhaut. Schwarze Strahlen wirbelten vom Dolch seinen Unterarm hoch, legten sich wie ein Netz um seine Brust, stellten sich wie ein Schild aus dunklem Nebel vor sein Gesicht.
„Morgentau, was tust du. Ich schütze dich, du musst keine Wand aufbauen, um deine Mutter abzuwehren. Ich will, dass es dir wieder gut geht. Du musst viel gelitten haben, mein armes Kind.“
Xorxorils Stimme hinter dem Schleier klang leblos, ohne Emotion, so als hätte Lavagestein zu sprechen begonnen: „Mutter, die Kinder Xorgolgorcharas sind Elfen, so wie ihr.“
Das Gesicht seiner Mutter glühte grün und die Energien des Waldes zentrierten sich in ihr: „Es sind böse Elfen, mein Sohn. Du bist kein Schwarzelf. Sie haben dir das schöne Leben genommen, das du hättest haben können, die Gesänge des Waldes. Sie haben dir das Gefühl genommen, was es bedeutet, ein Elf zu sein, die lieblichste Kreatur, die Cerlihilian, der Erste, der Götter geschaffen hat, ein Elf, ein Wesen, geschaffen, um allen lebenden Wesen Freude und Glück zu schenken, ein Wesen, in dem Cerlihilians Reich des Regenbogens schon in der Welt des kreatürlichen Lebens Gestalt annimmt. Cerlihilian ist ein guter Gott, der die
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