WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
Dämons peitschte durch die Dunkelheit nach oben und schlang sich um den Leib des Zauberers ...
„Flieht, ihr Narren!“, las Großvater vor und hatte den gleichen verzwe ifelten Ausdruck im Gesicht.
Plötzlich wurde die Tür des Kinderzimmers geöffnet und Claudia und ihr Mann Stephan standen in Abendkleidung im Türrahmen. Stephan sah mit vorwurfsvoller Miene auf seine Uhr und Claudias Blick fiel unweigerlich auf den Einband des Buches, das ihr Vater in Händen hielt und viel zu spät zu verdecken suchte.
„Paps, nicht schon wieder“, stieß sie vorwurfsvoll hervor. Mit jeder Sekunde wurde ihr Gesicht zorniger. Nur die Anwesenheit der Kinder hielt sie davon ab, den üblichen Streit zu beginnen.
„Iris! Walter! Ab in eure Betten! Wir sprechen uns Morgen“, befahl sie und alle konnten spüren, wie sehr sie sich anstrengen musste, um ihre Stimme im Zaum zu halten.
Stephan schüttelte nur den Kopf, legte rasch seinen Mantel ab und schob sich an seiner wütenden Frau vorbei ins Zimmer.
Sein gehauchtes „Na dann, viel Glück, Schwieger-Paps“, konnten nur die Kinder und ihr Großvater hören.
Weder Walter noch Iris versuchten die üblichen Verzögerungsspiel -chen. Sie wussten genau, dass jetzt nicht der Moment war – oder auch nur der Hauch einer Chance bestand – für Großvater noch ein wenig Lesezeit zu erbetteln. Sie huschten unter ihre Decken und beantworteten die kurzen Fragen ihres Vaters, scheinbar zu dessen Zufriedenheit. Stephans besänftigendes Nicken in Richtung seiner Frau entging ihnen nicht und sie hofften, es würde ihrem Großvater das Schlimmste ersparen.
Der seufzte, klappte das Buch zu und gab jedem seiner Enkel einen Kuss auf die Stirn. Dann ging er mit dem Buch in der Hand aus dem Zimmer.
Claudia hatte ihren Mantel ausgezogen und vor Wut in eine Ecke des Zimmers geschleudert, wo er als unregelmäßiger Haufen ihre Stim-mung unterstrich. Sie lief wie ein gefangenes Tier im Käfig hin und her und warf ungeduldige Blicke zur Tür, zu den Kindern und ihrem Vater. Als Stephan hinter sich die Tür schloss, deutete sie nur stumm in Richtung Esszimmer. Es war das Zimmer, das im Haus am weitesten vom Kinderzimmer entfernt lag.
Beide Männer folgten Claudia, die es kaum erwarten konnte, bis sie alle dort anlangten.
„Welchen Teil von: Ich will dieses Buch hier nicht mehr sehen, hast du nicht verstanden, Paps?“, fragte Claudia, nachdem sie den Raum be-treten hatten.
Großvater holte Luft für eine Antwort, kam aber nicht dazu, auch nur ein Wort zu sagen.
„Als wenn wir diese Diskussion nicht schon längst – und mehrfach – geführt hätten“, zeterte Claudia weiter und begann wieder hin und her zu laufen. Sie hatte dafür entlang der großen Speisetafel mehr als genug Platz. Vielleicht wählte sie mit weiblicher Intuition – Großvater glaubte wie sein Schwiegersohn eher an weibliche Hinterlist – immer dieses Zimmer für Auseinandersetzungen. Auch für solche mit ihrem Ehe-mann. Innerlich mussten beide ein wenig schmunzeln über ihre Be-rechenbarkeit. Sie hätten auf solch subtile Mittel verzichten können. Er, wie auch Stephan, bestachen lieber durch Fakten und überzeugende Argumente.
Und genau hier lag das Übel für ihn begraben: Er konnte seiner Toc hter nicht mit Fakten begegnen. Sie hätte ihm nie geglaubt. Wieder holte er Luft für einen Einwand und wieder kam ihm Claudia zuvor.
„Kannst du dir eigentlich wirklich nicht vorstellen, was du mir und meinem Bruder angetan hast? Willst du denn nicht verstehen, was es für zwei Kinder in den 1960er Jahren bedeutet hat, Aerowynn und Eofer zu heißen? Mitten unter Kindern, die Klaus, Heinz, Helga, Chri stine oder Norbert hießen?“
Sie blieb stehen und warf die Hände in die Luft.
„Dabei nannten sie uns nicht mal bei diesen Namen! Sie nannten uns ... wie heißen diese kleinen Wesen aus den grünen Auen?“
„Ho...“
„Stopp! Wage es ja nicht, diesen Namen zu benutzen, Paps! Ich will dieses Wort in meinem Haus genauso wenig hören wie all die anderen Namen von obskuren Viechern, hässlichen Zwergen und menschen-fressenden ... was-auch-immer-Monstern!“ Dann stieß sie erst ihre Fäuste in die Hüften, nur um eine davon sogleich wie ein zustechendes Messer mit ausgestrecktem Zeigefinger auf ihren Vater zu richten. „Hast du jemals gegenüber deinen Enkeln die Geburtsnamen von mir und meinem Bruder erwähnt?“
Ihr lauernder Blick verhieß nichts Gutes. Doch Großvater hielt es für besser, jetzt ein für alle
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