Weltkrieg der Waehrungen
Finanzwerte der Peripherieländer verbrannten in der Glut der Angst. Ãber dem Parkett lag eine unheimliche, bedrückende Stimmung, wie im September 2008, als Lehman Brothers in den Untergang taumelte. Eine zweite Finanzkrise schien nun mit Händen greifbar. Schon zeigten Kreditinstitute eine ähnliche Scheu wie damals, sich gegenseitig Geld zur Verfügung zu stellen; und sei es für kurze Zeit. Liquiditätsengpässe konnten nur noch mit Mühe überbrückt werden, der Geldmarkt drohte auszutrocknen.
Alle finanziellen Stresssymptome nahmen mit beunruhigender Geschwindigkeit zu, und mindestens ebenso bedenklich war: die Panik griff auch auf andere Erdteile über. Der Hongkonger und der Tokioter Aktienmarkt hatten im Lauf der Handelswoche bereits herbe Verluste verzeichnet. Doch welche Stunde geschlagen hatte, sollte sich am Donnerstag zeigen. An jenem 6. Mai stürzte der Dow Jones, der wichtigste Aktienindex der Welt, im Handelsverlauf binnen 30 Minuten um fast 1000 Punkte. Es war der gröÃte Punktverlust in der Geschichte der New Yorker Börse. Von einem »Flash-Crash« war die Rede, der die Wirtschaftsleistung von Monaten binnen Minuten auslöschte. Zwar erholte sich das Börsenbarometer bis zum Handelsende auf mysteriöse Weise, zwar wurde der Einbruch eilends mit einem Computerfehler erklärt, doch blieb die Anspannung auch danach groÃ. Am Freitag, dem 7. Mai, lieà die Verunsicherung die Märkte erneut einknicken.
Der Euro war jetzt gleichsam auch offiziell eine angeschlagene, eine verwundete Währung. Binnen einer Woche hatte er sich zum Dollar um mehr als vier Prozent verbilligt. Seit seinem Zwischenhoch Ende November 2009 hatte er ein knappes Fünftel an Wert verloren. Durch diese Verschiebungen am Devisenmarkt war die gesamte Eurozonen-Wirtschaft rechnerisch um 2,7 Billionen Dollar geschrumpft. Der ohnehin angeschlagenen Konjunktur auf dem Kontinent drohte nun ein neuer Tiefstand. Würde es nicht gelingen, diese finanzielle Kernschmelze zu stoppen, könnte das der Beginn einer GroÃen Depression sein. Viel Zeit blieb nicht, um die Dinge in Ordnung zu bringen. Am Montagmorgen um zwei Uhr mitteleuropäischer Zeit würde die Tokioter Börse den Handel aufnehmen. Von diesem wichtigen asiatischen Markt könnte der fatale Stoà ausgehen, der die Märkte rund um den Globus wie Dominosteine würde fallen lassen. Die platzende Euro-Blase drohte ein finanzielles Armageddon von globaler Dimension auszulösen.
Rendezvous mit der Geschichte
Den EU-Oberen ist der Ernst der Lage sehr wohl bewusst, als sie an jenem Wochenende im nüchternen Justus-Lipsius-Gebäude, dem Sitz des Europäischen Rats, in Brüssel zusammenkommen. Den Anfang machen am Freitagabend die Regierungs- und Staatschefs, die sich auf die groÃen Linien der Rettung verständigen sollen. Später würden die Finanzminister die Details klären müssen. Doch einig sind sich die Politiker lediglich darin, dass dies die letzte Chance ist, die brisante Lage zu entschärfen. Und klar ist auch, dass eine gewaltige Menge Geld nötig sein wird, um genügend hohe Dämme zu errichten. Durch ihre Uneinigkeit und Kleinkariertheit haben die Europäer die Spekulanten geradezu herausgefordert, gegen den Euro zu wetten.
Die vorherigen, zunächst sehr bescheidenen Hilfszusagen, die zuletzt auf 110 Milliarden Euro aufgestockt worden waren, hatten die Märkte nicht beruhigen können. Auf kurze Stabilisierungen waren stets neue Verkaufswellen gefolgt. In dieser Situation würde eine weitere Flucht ins Kleinklein weitaus mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. So weit war man sich einig. Weiter ging die Einigkeit allerdings nicht. Das lag vor allem daran, dass sich die Positionen von Deutschland und Frankreich, wie so oft in Fragen der gemeinsamen Währung, diametral entgegenstanden. Für Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy war die Krise der richtige Zeitpunkt, der alten französischen Forderung nach einer europäischen Wirtschaftsregierung zum Durchbruch zu verhelfen. Die deutsche Regierungschefin Angela Merkel hingegen hatte ganz andere Vorstellungen: Sie wollte dem Stabilitäts- und Wachstumspakt neues Leben einhauchen. Zur Not sollen Defizitsünder mit einem Entzug des Stimmrechts in EU-Gremien bestraft werden. Am allerwenigsten wollte sie Euroland-Anleihen, die die Finanzierungskosten für Deutschland in die Höhe treiben und die
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