Weltkrieg der Waehrungen
war jetzt mehr oder weniger auf der Linie, die Sarkozy schon Monate zuvor vertreten hatte. Anders als der Franzose konnte sich die Kanzlerin aber nicht zu einem pathetischen Bekenntnis zur europäischen Solidarität aufschwingen. Die von ihr ausgegebene Losung lautete schlicht: Es gibt keine Alternative. Später wurde der befristet konzipierte »alternativlose« EFSF noch durch einen permanenten Rettungsapparat ergänzt, den Europäischen Stabilitätsmechanismus, kurz ESM. Mitte 2012 sollen beide Fonds unter einem Dach zusammengeführt werden. Die deutsche Haftungsgrenze liegt dann bei rund 230 Milliarden Euro.
Ehe sie sich versahen, waren die europäischen Völker Opfer einer Machtdrift weg von ihren nationalen Parlamenten hin zu einem Brüsseler Superstaat geworden. Motor dieser Verlagerung von Souveränität war ironischerweise das von Brüssel so verfemte Finanzsystem. Dessen Stabilität lieferte die Begründung für MaÃnahmen, die Ordnungspolitikern und Staatsrechtlern die Haare zu Berge stehen lieÃen. Auch eine andere Institution bekam diese Machtdrift zu spüren: die Europäische Zentralbank.
Der Crash der EZB
Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte sich in den Jahren seit ihrer Gründung 1998 eine beachtliche Reputation erworben. In vielerlei Hinsicht tat sie sich als würdige Erbin der Deutschen Bundesbank hervor. Institutionell war die Unabhängigkeit der EZB von der Politik stärker ausgeprägt als die der deutschen Notenbank, nach deren Bild man sie geformt hatte. Auch konnten sich die europäischen Währungshüter nicht vorwerfen lassen, die Preisstabilität vernachlässigt zu haben. Vielmehr weisen die offiziellen Zahlen aus, dass die Inflation in der ersten Dekade des Euro, also bis 2009, niedriger war als in den zehn Jahren davor. Nach einigen öffentlichen Ungeschicklichkeiten des ersten EZB-Präsidenten Wim Duisenberg besserte sich auch die AuÃenwirkung.
Das war zum groÃen Teil das Verdienst des zweiten EZB-Präsidenten, Jean-Claude Trichet, der Franzose schien die Fleisch gewordene Stabilität des Euro zu sein.
Die Person Trichet stand für die Fortschritte, die die europäische monetäre Einigkeit in den vergangenen Jahrzehnten gemacht hatte. Während seiner langen Laufbahn im Staatsdienst der Fünften Republik war der Franzose zunächst kein Anhänger einer unabhängigen Notenbank gewesen. Als früherer Chef des französischen Schatzamtes hatte er in den Achtzigerjahren noch gegen eine solche Autonomie gewettert. 61 Doch als die Europäische Zentralbank ins Leben gerufen wurde, änderte Trichet seine Position, rechtzeitig genug, um als EZB-Direktor infrage zu kommen: Nun verbat er sich ausdrücklich politische Einmischung in Fragen der Geldpolitik. Für viele in Europa war Trichet der ultimative Beweis dafür, dass sich die währungspolitischen Kulturen auf dem Kontinent angenähert hatten. Es gab keine gallischen und keine germanischen Notenbanker mehr, es gab nur noch unabhängige europäische Notenbanker, die sich die Geldwertstabilität auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Nicht ohne Stolz betonte Trichet in der Ãffentlichkeit, dass man ihm in Frankreich vorwerfe, allzu deutsche Positionen in der Geldpolitik zu vertreten. Er war die Galionsfigur der neuen Zeit.
Unter allen Notenbankchefs der Welt ragte der Franzose als derjenige heraus, der am konsequentesten für stabiles Geld eintrat. Noch 2008 hatte er in die sich zuspitzende Finanzkrise hinein den Leitzins erhöht, um die von explodierenden Rohstoffpreisen ausgehenden Inflationsgefahren zu ersticken. Im weiteren Fortgang der Finanzkrise lehnte er die quantitative Geldmengensteuerung (im Stenosprech der Börsianer häufig zu QE für »quantiative easing« abgekürzt), wie sie die Federal Reserve für notwendig erachtete und die Bank of Japan schon seit Langem praktizierte, nachdrücklich ab. Erst später ging Trichets EZB zu einer abgeschwächten Form von quantitativer Lockerung über, bei der allerdings ausdrücklich keine Staatsanleihen aufgekauft wurden, sondern Pfandbriefe.
Der direkte Erwerb von Regierungstiteln gilt weithin als problematisch: Kauft die Notenbank Staatsanleihen, schürt sie potenziell die Inflation. Denn die Papiere werden mit frisch gedrucktem Geld bezahlt: Die Geldmenge erhöht sich, ohne dass dem ein Mehr an Gütern und Dienstleistungen entgegensteht,
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