Weltkrieg der Waehrungen
das das Geld »aufsaugen« könnte. Viele Ãkonomen sind dennoch der Meinung, dass solche auÃergewöhnlichen Schritte bei angeschlagenen Volkswirtschaften notwendig sein können, um ein Abgleiten in die Depression zu vermeiden. Theoretisch haben die Zentralinstitute die Möglichkeit, die überschüssige Liquidität über Zwangseinlagen und andere Instrumente später wieder abzuschöpfen, ehe sich die Gefahren für den Geldwert materialisieren. Ob diese sogenannte Neutralisierung oder Sterilisierung in der Realität eines angeschlagenen Finanzsektors funktioniert, steht auf einem anderen Blatt. Dass sich Trichets EZB lange sträubte, dem japanisch-amerikanischen Weg zu folgen, wurde als Zeichen der Stärke gedeutet. Bis zum Jahr 2009 galt die EZB als saubere und prinzipientreue Notenbank.
Doch 2010 verlor die Europäische Zentralbank ihren guten Ruf. Binnen weniger Monate rückte sie von jahrelang vertretenen Positionen ab und verspielte einen GroÃteil des Vertrauens, das sie in einem Jahrzehnt aufgebaut hatte. Schuld daran war nicht zuletzt Jean-Claude Trichet selbst, der einige Male besser den Sinnspruch des Boethius befolgt hätte: »si tacuisses â¦Â« (»Hättest du geschwiegen â¦Â«). Im Nachhinein strafte Trichet viele seiner Aussagen durch eigenes Tun Lügen, was den Verdacht nährte, der EZB-Chef habe politischem Druck nachgegeben, selbst wenn der Nachweis schwer zu erbringen sein dürfte.
Ein eklatanter Fall war der Umgang mit Griechenland-Anleihen: Wegen seiner sich verschlechternden Staatsfinanzen wurde die Kreditwürdigkeit des Landes in mehreren Schritten herabgestuft. Die Frage stand im Raum, ob europäische Banken die Titel weiterhin als Sicherheiten für EZB-Kredite nutzen konnten, auch wenn Griechenlands Bonität nicht mehr den Mindestanforderungen für solche Pfänder entsprach. Noch Mitte Januar 2010 hatte Trichet eine Sonderregelung für Griechenland, eine Lex Hellas, abgelehnt. Er sagte wörtlich: »Keine Regierung und kein Staat kann eine spezielle Behandlung erwarten. Die Notenbank wird ihre Prinzipien nicht ändern, nur weil die Staatsanleihen eines Mitgliedstaates die entsprechenden Kriterien nicht erfüllen.« 62 Doch weniger als vier Monate später waren diese Worte nichts mehr wert. Als Parole wurde nun vielmehr ausgegeben: Die EZB ist die Notenbank von Griechenland und lässt Griechenland nicht fallen. Anfänglich waren die Bonitätsanforderungen aufgeweicht worden. Dann verkündete die EZB am 3. Mai, griechische Anleihen würden künftig ohne Ansehen ihres Ratings als Sicherheiten akzeptiert, also auch wenn sie nur noch Ramschniveau hatten. Das war ein radikaler Bruch mit den Traditionen der EZB und der Bundesbank, dessen rufschädigende Wirkung dadurch verschlimmert wurde, dass die »spezielle Behandlung« vorher ausdrücklich ausgeschlossen worden war.
Ãhnlich unglücklich agierte Trichet, als es um die Frage ging, ob der IWF an den RettungsmaÃnahmen für Griechenland zu beteiligen sei. Noch unmittelbar bevor sich Deutsche und Franzosen Ende März endlich darauf verständigten, die Washingtoner Institution ins Boot zu holen, hatte er eine solche Lösung als »sehr, sehr schlecht« bezeichnet. Nach der Ãbereinkunft jedoch fand Trichet schnell anerkennende Worte. Wiederum waren vorherige anders lautende ÃuÃerungen nichts wert gewesen oder hatten nur als Ablenkungsmanöver fungiert.
Mehr als eine Ungeschicklichkeit war indes das Lavieren in der Frage der unkonventionellen MaÃnahmen. Am 5. Mai 2010 kamen am Markt Gerüchte auf, Europas Währungshüter würden bald dazu übergehen, Staatsanleihen schwacher Euroländer wie Griechenland oder Portugal aufzukaufen. In der jetzigen brenzligen Situation könne die EZB die aufgewühlte Börse durch den Kauf beruhigen, hieà es nun. Ein Eingreifen der Zentralbank werde den freien Fall der Bondpreise stoppen. Doch bei seiner monatlichen Pressekonferenz im Anschluss an die EZB-Ratssitzung dementiert der Präsident die Gerüchte: Ãber Anleihenkäufe habe man gar nicht gesprochen.
Diesmal dauert es nicht vier Monate, sondern nur vier Tage, ehe Trichets Worte wertlos wurden. Am 10. Mai, dem Tag nach dem historischen Brüsseler Gipfel, ging auch die EZB dazu über, den gefährlichen Weg der »quantitativen Lockerung« zu beschreiten. Sie gab ihre Erklärung zwei
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