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Weltkrieg der Waehrungen

Weltkrieg der Waehrungen

Titel: Weltkrieg der Waehrungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel D. Eckert
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gegen einen neuen Edelmetallstandard wenden.
    Der Widerstand gegen das Edelmetall hat auch eine weitere hochpolitische Dimension. Gold ist ein »liberales« Metall, in dem Sinne, dass es als nahezu inflationsresistente Währung jene begünstigt, die begütert sind und über ein relativ hohes Geldvermögen verfügen. Genau diese Stabilität war es, die Bezieher von Zinseinkünften – die berühmten Rentiers – im 19. Jahrhundert für den Edelmetallstandard optieren ließen. In Großbritannien, das früher als andere Nationen eine parlamentarische Kultur ausgebildet hatte, konnten die Kuponschneider besonders wirksam Einfluss auf die Geld- und Fiskalpolitik ausüben. So wundert es nicht, dass das Vereinigte Königreich als eines der ersten Länder 1817 per Gesetz eine Goldparität einführte. Den Besitzern von Zinspapieren ging der Schutz vor der Geldentwertung über alles, im Zweifel mussten Konjunktur und Arbeiter durch Deflation den Preis zahlen. 67
    Als sich hingegen nach der Jahrhundertwende und vor allem nach dem Ersten Weltkrieg die »linke« Idee des Sozialstaats durchsetzte, begann das Primat des stabilen Geldes zu erodieren. Man kann das schlechte Funktionieren des neuen Goldstandards in den Zwanzigerjahren unter diesem Aspekt betrachten: Die monetäre Disziplin der Goldwährung, die in den Anciens Régimes vor 1914 so gut funktioniert hatte, wurde für die um Arbeitsplätze und Sozialleistungen bemühten Regierungen der Zwischenkriegsära zunehmend untragbar.
    Die frühe Weimarer Republik von 1919 bis 1923 ist nicht von ungefähr das exakte Gegenbild eines Landes mit stabiler Währung. Die Regierung hatte nicht nur den Goldstandard aufgegeben, sondern trieb gezielt eine Inflationspolitik, teils um sich der finanziellen Altlasten der kaiserlichen Vorgängerregierung zu entledigen, teils um die Siegermächte auf ökonomisch­melodramatische Weise davon zu überzeugen, dass die Reparationsforderungen an Deutschland unerfüllbar seien. Nicht zuletzt sollten mit der Flut des frisch gedruckten Papiergelds innenpolitische Brandherde gelöscht werden.
    Zwar erlebte der Rentier, der nach einem schauerlichen Diktum von Keynes in den Zwanzigerjahren Sterbehilfe bekam, seit den Achtzigerjahren eine Auferstehung. Unter anderem wären nicht wenige der Besitzer der mehr als 90 Millionen Lebensversicherungspolicen in Deutschland zu dieser Gruppe zu zählen. Die Versicherungsgesellschaften investieren das Geld der Kunden zum überwiegenden Teil in festverzinsliche Wertpapiere. Doch die meisten Bezieher von Zinseinkünften sind eben auch Empfänger staatlicher Umverteilungen, vom Kindergeld über die »Pendlerpauschale« bis hin zu »Wohnriester«. Während sie auf der einen Seite also von solidem Geld profitieren würden, müssen sie auf der anderen Seite befürchten, dass die durch einen neuen Goldstandard in die Bredouille gebrachte Schuldenrepublik ihre wohlfahrtsstaatlichen Leistungen kürzt. Der Historiker Niall Ferguson bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt: »In einem gewissen Sinn war der Wohlfahrtsstaat dazu bestimmt, den alten Kämpfen zwischen Rentiers, Unternehmern und Arbeitern ein Ende zu bereiten.« 68
    Im 19. Jahrhundert standen sich die Anhänger des lockeren Geldes (häufig Agrarier) und die Befürworter eines gezügelten Geldes (allen voran die Rentiers) noch unversöhnlich gegenüber. Die sozialen Gruppen waren in der Regel säuberlich getrennt. Heute schlagen beide Herzen in einer Brust. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass aus dieser Gemengelage die politischen Mehrheiten hervorgehen, die die Wiedereinführung des Goldstandards durchdrücken könnten. Das heißt, es ist unwahrscheinlich vor einem möglichen Kollaps der Staatsfinanzen, unwahrscheinlich vor einer großen Enteignung durch Inflation.
The Day After
    Es waren die sich ausweitenden Defizite und die Dollar-Schwemme, die Richard Nixon im Jahr 1971 veranlassten, das »Goldfenster« zu schließen. Solange der Sozialstaat in seiner heutigen Form existiert, wird dieses Fenster zum Edelmetallstandard wohl nicht mehr geöffnet werden. Doch so sicher es ist, dass ein neuer Goldstandard keine Chance auf ein Comeback in den Sozial- und Defizitstaaten hat, so sehr könnte sich die Frage nach einer großen Schuldenkrise stellen. Die Dynamik der Ereignisse in Griechenland hat deutlich

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