Weltkrieg der Waehrungen
Interessensphären aufeinander, deren Grenzen nicht ohne schwerwiegende Folgen überschritten werden dürfen. Doch werden künftige Historiker ohne Zweifel auch eine andere Demarkationslinie identifizieren, deren Bedeutung sich vielen der heute Lebenden noch gar nicht erschlieÃt: die zwischen dem Dollar und dem Yuan. Der Wechselkurs zwischen der chinesischen und der amerikanischen Währung â zuletzt bei knapp unter 6,30 Yuan zum Dollar â ist die vielleicht wichtigste und umkämpfteste Grenze des 21. Jahrhunderts. Je nachdem, wo diese monetäre Demarkationslinie verläuft, ob sie eher in die eine oder die andere Richtung verschoben werden kann, werden Billionen von Dollar in die westlichen Volkswirtschaften kanalisiert â oder eben in die schnell expandierende chinesische Ãkonomie.
Chinas Chance
Die aufstrebende Volksrepublik steht vor einer ähnlichen Entscheidung wie die triumphierenden Vereinigten Staaten nach dem Ersten oder dem Zweiten Weltkrieg. Tatsächlich bringt das Zusammentreffen von Kreditexplosion und demografischer Implosion die westlichen Staaten finanziell in eine ähnlich prekäre Lage wie die Alte Welt nach 1918 oder 1945. Ein Historiker merkte bereits 2009 an, dass die Situation nach dem Lehman-Fiasko hinsichtlich der AusmaÃe der Finanz-Misere nach einem groÃen Krieg ähnelte.
Im 20. Jahrhundert war es an Amerika, seinen rasant wachsenden Wohlstand mit anderen zu teilen. Nach dem Ersten Weltkrieg nahmen die USA diese Berufung nur zum Teil an: Zwar trug Washington mit dem Dawes- und später dem Young-Plan sein Scherflein dazu bei, die Schuldensituation in Europa zu entspannen. Doch blieb die Unterstützung für eine politisch, wirtschaftlich und nicht zuletzt geistig zerrüttete Alte Welt Fragment. Nach dem Zweiten Weltkrieg lernten die USA aus ihrem Fehler. In Form des Marshallplans halfen sie dem ehemaligen Mutterkontinent, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen.
Heute argumentiert China, dass seine Möglichkeiten, globale Verantwortung zu übernehmen, begrenzt sind. In weiten Teilen sei es selbst noch ein Entwicklungsland. Der Westen müsse der Volksrepublik schon die gleiche ungestörte Entwicklung zugestehen, die er selber 200 Jahre in Anspruch genommen habe. Dieser Argumentation ist moralisch wenig entgegenzuhalten.
Gleichwohl hat es China in der Hand, dem 21. Jahrhundert eine friedliche Richtung zu geben oder eine, die in Konflikt und schlimmstenfalls sogar Krieg münden kann. Der Kurs des Yuan ist ein Schlüssel dazu. Wie ein Pflug wird die Parität von Yuan einerseits und Dollar und Euro andererseits Wohlstand in den einen oder den anderen Wirtschaftsraum pflügen. Im Moment hat der Westen einiges Recht, sich übervorteilt zu fühlen. Doch er verfügt über wenige echte Druckmittel, Peking zum Einlenken zu zwingen. So liegt das Jahrhundert in Chinas Händen. Zeigt Peking die GröÃe, den Wechselkurs seiner Währung behutsam aber deutlich aufwerten zu lassen, kann es damit etwas schaffen, was einem Marshallplan für das 21. Jahrhundert entsprechen würde.
Der ruhende Pol
Der Yuan-Dollar-Wechselkurs ist sicherlich die wichtigste Demarkationslinie des 21. Jahrhunderts. Aber es gibt noch eine andere umkämpfte Grenze, deren künftiger Verlauf das Gesicht des Säkulums bestimmen wird. Diese zweite Demarkationslinie verläuft inmitten des imposantesten Wirtschaftsraums auf dem Planeten. In diesem Binnenmarkt leben rund 330 Millionen Menschen, jährlich werden dort Güter und Dienstleistungen für annähernd 13 Billionen Dollar erzeugt. Die Rede ist nicht von den USA, sondern von der Europäischen Union.
Dieses merkwürdige Gebilde zwischen Staatenbund und Bundesstaat kann auch weiterhin einen defensiven Machtblock im internationalen Gefüge bilden. Um die Relationen zu verdeutlichen: Noch produziert diese Europäische Union rund dreimal so viel wie das Reich der Mitte, und das bei weniger als einem Viertel seiner Einwohner.Durch seine besondere politische Struktur erinnert dieses Quasi-Imperium an das Heilige Römische Reich des Mittelalters: zum Angriff unfähig, aber respektabel in der Verteidigung. Vielleicht ist allerdings ein anderer Vergleich zutreffender, der mit dem Alten China nämlich, das sich, der eigenen Expansionen müde und bedrängt von eroberungslustigen Barbaren, für den Bau der GroÃen Mauer entschied.
Die GroÃe Mauer der
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