Weltkrieg der Waehrungen
zu besitzen ist auch im 21. Jahrhundert nicht von Nachteil. Aber wer die Macht über die Währungen hat, kann Wohlstand umverteilen, ohne eine einzige Division zu mobilisieren. In diesem Sinn ist Geldpolitik Weltpolitik. Heute mehr denn je.
Mit Wechselkursen oder Währungsunionen werden Schlachten um Macht und Wohlstand gewonnen oder verloren. Die Kämpfe sind zum Glück nicht so blutig wie die mit Panzern oder Bombern, aber sie werden das Gesicht des 21. Jahrhunderts ebenso sehr prägen wie die groÃen Schlachten des Ersten und des Zweiten Weltkriegs das des 20. Jahrhunderts prägten. Insofern ist es mehr als gerechtfertigt, vom Weltkrieg der Währungen zu sprechen.
So unzugänglich die Welt der Devisen auf den ersten Blick erscheinen mag, so gewaltig sind die Auswirkungen von Wechselkursverschiebungen auf die globale Verteilung von Wohlstand. Chinas Aufstieg zur wirtschaftlichen Supermacht lässt sich nicht verhindern, und das wäre auch nicht wünschenswert. Doch sollte die Ãffentlichkeit eine kritischere Beobachterposition zu währungspolitischen Entscheidungen der Pekinger Führung einnehmen. Und auch die problematischen Aktionen der europäischen und amerikanischen Notenbanker sollten im öffentlichen Diskurs künftig weitaus mehr Beachtung finden, als dies bisher der Fall war.
Entscheidungen von welthistorischer Tragweite finden sich nicht immer auf Seite eins der Zeitungen. Zuweilen verstecken sie sich in kleinen Meldungen im Finanzteil.
Wenn dieses Buch ein wenig beigetragen hat, den Sinn dafür zu schärfen, dann hat es seine Aufgabe erfüllt.
2. Reflexionen über Europa und sein Geld
»Der Denar des Römischen Reichs hatte vier Jahrhunderte lang Geltung.
So viel Zeit gebe ich dem Euro auch â dann kommt es zur
Weltwährungsunion«.
Theo Waigel, 2011 69
Auch innerhalb der europäischen Währungsunion verläuft eine Demarkationslinie. Es ist eine alte ideologische Grenze, und wenn die Zeit sie überwuchert hatte, wurde sie spätestens am 9. Mai 2010 wieder freigelegt. Indem die Europäer versuchen, ihre Währungsunion neu zu konstituieren â und genau das ist als Folge der Schuldenkrise unabwendbar geworden â, wird der deutsch-französische Antagonismus erneut zutage treten, der übrigens auch ein nordeuropäisch-südeuropäischer Antagonismus ist. Viele auf dem Kontinent bringen der bundesrepublikanischen Haltung, zu sparen und andere zum Sparen zu nötigen (zum Beispiel als Gegenleistung für Kreditgarantien) viel Misstrauen entgegen. Aus Sicht der Kritiker ist Deutschland ein Stabilitätsunhold, der mit seinem haushälterischen Ordnungsdenken mehr Schaden als Nutzen stiftet. Paris stellt dem das zumindest oberflächlich attraktivere Konzept europäischer Finanzsolidarität entgegen. Lässt sich zwischen beiden Positionen ein Ausgleich finden? Sind stabiles Geld und die Idee Europa vereinbar?
Ein schlichtes Weiter-so ist nicht möglich, und mit einer Aufstockung der diversen Rettungsfonds erkaufen die Europäer Zeit, aber nicht mehr. Daher stellt sich über die Vereinbarungen des Fiskalpakts hinaus die Frage, wie es mit der Währungsunion weitergehen kann. Vier Szenarien sind aus heutiger Sicht vorstellbar. In zweien davon bleiben alle bisherigen Mitglieder Teil der Eurozone, ja es kommen in den nächsten Jahren sogar noch neue dazu. Der Preis für die Einheit ist jedoch Zentralisierung, entweder durch eine Transferunion oder durch eine gemeinsame Wirtschaftsregierung. Die anderen beiden Optionen bedeuten eine Auflösung der Währungsunion in ihrer jetzigen Form, sei es durch einen Austritt der schwachen oder ein Exit der starken Mitglieder. Beide Wege, der Zusammenhalt um jeden Preis wie auch die Trennung, sind mit Schmerzen und Risiken verbunden.
Transferunion oder süÃes Gift
Ein schon lange geäuÃerter Wunsch vor allem der europäischen Linken ist, die Währungsunion durch eine Sozialunion zu ergänzen. Wenn die Lebensverhältnisse sich zu weit voneinander entfernen, können Ausgleichszahlungen die ökonomischen Spannungen verhindern oder zumindest abmildern. Die Befürworter nennen Föderationen wie die Bundesrepublik Deutschland oder die USA als Vorbild: In Deutschland findet zwischen armen und reichen Bundesländern ein Finanzausgleich statt. Auch die USA kennen solche Transfers, wenngleich sie dort meist über die Sozialkassen der
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