Weltkrieg der Waehrungen
Verbündeten vier lange blutige Jahre ineinander verbissen, bis das wilhelminische Reich schlieÃlich entkräftet und ausgezehrt kapitulierte.
Vor hundert Jahren ging die Herausforderung des Hegemons von einem wirtschaftlich dynamischen, aber politisch ruhelosen Deutschland aus, heute von einem Reich der Mitte, das vor Widersprüchen zu bersten droht. Sollbruchstellen für das chinesisch-amerikanische Verhältnis gibt es zuhauf: vom Status Taiwans (das Peking weiterhin als abtrünnige Provinz betrachtet) über Chinas zwielichtige Unterstützung des Regimes in Pjöngjang bis hin zum quasiimperialen Kampf um Bodenschätze in Afrika, Zentralasien und Nahost. Lassen sich die Interessenkonflikte nicht entschärfen, so könnte sich ein Scharmützel um Taiwan oder (noch unerwarteter vielleicht) ein militärischer Zusammenstoà auf der koreanischen Halbinsel zu einem Sarajewo des 21. Jahrhunderts auswachsen. 37 Ein Frontalangriff Chinas auf den Dollar wäre irrational, aber er wäre nicht irrationaler als Dutzende andere Kriege, die in den vergangenen Jahrhunderten wider das Wohl der Völker geführt wurden. Die Strategen im Pentagon haben durchaus Grund, besorgt zu sein, und sie nicht allein.
Vieles deutet darauf hin, dass die Gefahr eines Wirtschaftskriegs zwischen Amerika und China in den nächsten Jahren eher zu- als abnehmen wird. Wachstum bedeutet mehr Wohlstand, aber es setzt auch gesellschaftliche Kräfte frei, die schwer zu kontrollieren sind. Pekings ökonomischer Expansionskurs hat das ganze Land in eine dröhnende ökonomische Dampfwalze verwandelt. Bisher fand diese Dampfwalze ihre Grenzen am Supermachtstatus der USA. Solange sich auch die amerikanische Wirtschaft als kraftstrotzender und kerngesunder Koloss präsentierte, flöÃte sie dem Schwellenland China Respekt ein. Das ändert sich. Zur Jahrtausendwende war die Volksrepublik ökonomisch nur ein Achtel so stark wie Amerika, 2012 produziert das Land in etwa halb so viele Güter und Dienstleistungen wie die Vereinigten Staaten. In vier Jahren wird das Reich der Mitte nach IWF-Projektionen schon zwei Drittel der ökonomischen Stärke der USA erlangt haben. Rechnet man den Wechselkurseffekt des unterbewerteten Yuan heraus, erscheint die chinesische Volkswirtschaft noch ein gutes Stück gröÃer und Ehrfurcht gebietender. Während die Boom-Ãkonomie mit teilweise zweistelligen Raten weiterwächst, brachte die Finanzkrise ans Licht, dass viel von der wirtschaftlichen Macht Amerikas auf dem beruhte, was Experten »Leverage« nennen, dem (überzogenen) Einsatz von geliehenem Kapital. Die Vereinigten Staaten sind wirtschaftlich weiter ein Gigant, aber dass sie kraftstrotzend und kerngesund sind, glaubt niemand mehr.
Noch ist vollkommen offen, wie sehr das Modell Amerika, das anderen Wirtschaftsnationen (allen voran den Kontinentaleuropäern) über ein Jahrzehnt lang von Ãkonomen als Vorbild anempfohlen wurde, beschädigt ist. Erst die nächsten Jahre werden zeigen, ob die USA an ihre Erfolge in Sachen Innovationskraft, Schaffung von Arbeitsplätzen und hohem Wachstum wieder werden anknüpfen können. Sorge bereitet die »jobless recovery«, die Wirtschaftserholung ohne ausreichend neue Stellen. Obgleich das Labor Department zuletzt eine sinkende Arbeitslosenquote vermelden konnte, waren Anfang 2012 immer noch 88 Millionen Amerikaner ohne einen Job, der ihren Lebensunterhalt sichert.. Damit lag die Beschäftigungsquote so niedrig wie seit Anfang der Achtzigerjahre nicht mehr. Was Arbeitsplätze angeht, ist es die schwächste Konjunkturerholung der Nachkriegszeit. Die Erfahrung Japans nach dem Platzen der dortigen Immobilienblase stimmt wenig zuversichtlich. Sie legt die Vermutung nahe, dass sich die Vereinigten Staaten auf eine lange Phase der zittrigen Konjunktur und der hochschnellenden Defizite werden einstellen müssen.
Gelingt es China, seine ökonomische Brachialexpansion im Angesicht des amerikanischen Abstiegs fortzusetzen, werden die Spannungen zwischen beiden Mächten wahrscheinlich zunehmen. Die Volksrepublik wird sich verändern, selbstbewusster werden. Weder ideologisch noch geopolitisch dürfte das asiatische Milliardenreich dann die Dominanz der USA weiter widerspruchslos hinnehmen.
Beim Staatsbesuch Barack Obamas in Peking Mitte November 2009 zeigte sich bereits das neue Selbstvertrauen der »roten Mandarine«. Bezeichnend
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