Weltraumpartisanen 10: Aktenzeichen: Illegal
schmalen Lippen kräuselten sich. „Um es Ihnen verständlicher zu machen, Commander: niemand will Ihrer Bekannten aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen an den Kragen. Folglich muß ihr Antrag abgelehnt werden.“
Ich hörte den Generalkommissar reden und argumentieren - aber es fiel mir schwer, seinen Worten zu folgen.
„Sir“, begehrte ich auf, „Sie schicken Miß Ko Ai in den sicheren Tod!“
Bergers gepflegte Hand hob sich ein wenig von der Tischplatte. Eine Geste des Bedauerns?
„Meine Kompetenzen enden an der Grenze. Aber meine Pflichten -durch unsere Gesetze vorgeschriebene Pflichten - führen auch bis zur Grenze.“
Ich stand auf.
„Zum Glück, Sir, gibt es auch für Sie noch übergeordnete Instanzen.“
In Bergers Augen las ich Gleichgültigkeit.
„Ja“, bestätigte er, „zum Beispiel den Präsidenten der EAAU. Versuchen Sie’s doch dort. Ich bin nur ein an Gesetze und Vorschriften gebundener Beamter.“
Die Unterhaltung war beendet. Ich hatte verloren.
Als ich das Department A verließ, ahnte ich nicht, daß auch ich dort bereits ein Aktenzeichen bekommen hatte.
Ein fremdenpolizeilicher Routinevorgang: zunächst mag es dies in der Tat gewesen sein.
Obwohl ich eine Niederlage erlitten hatte, war ich nicht bereit aufzugeben, und der nächste Schritt war mir von Berger vorgezeichnet worden. Seine damit verbundene Ironie brauchte mich nicht zu stören.
Unmittelbar nachdem ich die Libelle abgehoben hatte, rief ich John Harris an. Während des Bürgerkrieges und kurz danach war er einige Monate lang - bis zu seinem freiwilligen Amtsverzicht - selbst Präsident der Drei Vereinigten Kontinente gewesen; sein Einfluß und seine Verbindungen waren nicht zu unterschätzen. Im allgemeinen erbat ich von ihm keinerlei Gefälligkeiten, wenngleich unser Verhältnis seit jenen Tagen, als er noch Commander der Delta VII und ich sein Pilot gewesen war, keine Trübungen aufwies. In diesem Fall war ich entschlossen, eine Ausnahme zu machen. Mit meinem Anruf hatte ich Glück; Harris befand sich in seinem Büro.
In kurzen Worten schilderte ich ihm den Sachverhalt und fügte hinzu:
„Der Fall muß vor den Präsidenten gebracht werden, Sir. Ich benötige eine Audienz - und zwar nicht irgendwann, sondern noch heute.“
Ich hörte ein gedämpftes Räuspern.
„Ich verstehe, Commander“, sagte Harris. „Sie hätten von Anfang an damit zu mir kommen sollen - ich hätte dann selbst mit Berger gesprochen. Nun ist es dafür zu spät. In einer knappen Stunde starte ich zu einem längeren Inspektionsflug. Damit falle ich aus. Andererseits - Sie sind mit der Materie bereits vertraut. Ich will sehen, was ich für Sie erreichen kann.“
Während ich auf das Ergebnis von Harris’ Bemühungen wartete, kreiste ich über Metropolis. Zum ersten Mal vermochte ich mich am Anblick dieser meerumspülten, von weißer Brandung gesäumten atlantischen Kapitale nicht zu berauschen. Der Fortschritt, der in diesem kunstvollen gigantischen Gebilde, das fünfzig Millionen Menschen beherbergte, zum Ausdruck kam, erschien mir plötzlich fragwürdig. Meine Generation hatte alles erreicht, was erreichenswert schien: Frieden, Wohlstand und die Eroberung der Sterne. Aber unter der Oberfläche aller Erfolge regierte das unvermeidliche Übel: die Bürokratie. War diese - wie der Fall Ko Ai bewies - nicht längst Selbstzweck geworden? In den riesigen Computerzentren zählten lediglich die Nummern.
Harris meldete sich wieder.
„Commander!“
„Sir!“
„Ich erfahre soeben: der Präsident kann Sie nicht empfangen. Er muß sich einer dringenden Operation unterziehen. Das wird eine Weile dauern. Aber Sie sollten die Angelegenheit mit Sir Richard Mahon erörtern, dem amtierenden Justizminister. Er ist bereit, Sie noch heute vormittag zu empfangen.“
„Danke, Sir. Das ist doch wenigstens was.“
„Sir Richard befindet sich zur Zeit im hiesigen Studio der Stella-TV
- eine von seinen üblichen Pressekonferenzen. Nach der Aufnahme hat er für Sie fünfzehn Minuten reserviert. Das jedenfalls versicherte mir sein Sekretariat.“
Harris hatte ein wahres Wunder bewirkt. An Sir Richard Mahon, den amtierenden Nachfolger des im vergangenen Jahr im Strudel der Computeraffäre so tragisch ums Leben gekommenen Villiers, heranzukommen war kaum einfacher als an den Präsidenten selbst. In letzter Zeit versuchte er immer häufiger, sein Image als verknöcherter Bürokrat durch Pressekonferenzen und Public-Relations-Kampagnen
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