Weltraumpartisanen 10: Aktenzeichen: Illegal
aufzubessern. Ein Karikaturist des Venus-Report hatte dies zum Anlaß genommen, um Sir Richard abzubilden, wie er, auf einem Paragraphen reitend, den Verkehr auf der Milchstraße zum Erliegen brachte: eine Anspielung auf das neue Raumordnungsgesetz.
„Danke, Sir“, sagte ich noch einmal.
„Halten Sie mich auf dem laufenden!“ schärfte Harris mir ein. „Und achten Sie darauf, daß Captain Romen sich zu nichts hinreißen läßt!“ Ich nahm die Karte zur Hand. Das Studio der Stella-TV befand sich im Zentrum von Metropolis, nicht weit vom Platz Antoine Ibaka, auf dem vor sechs Jahren der unseligste Bürgerkrieg in der Geschichte der Menschheit sein Ende gefunden hatte. Damals, im Taumel eines hoffnungsvollen Neubeginns, war das Recht-auf-Leben-Gesetz verabschiedet worden, auf das wir noch immer stolz waren. Das Studio verfügte über mehrere Flugdecks; das grüne war für Besucher reserviert. Darauf setzte ich nach kurzem Flug meine Libelle ab.
Sir Richard, so wurde mir bedeutet, befand sich noch in der Aufnahme. Nachdem ich eine halbe Stunde gewartet hatte, wurde ich vorgelassen. Der Minister empfing mich im Studio selbst: auf dem schwenkbaren Sessel, von dem herab er auch die Fragen der Journalisten beantwortet hatte.
„Ah ja, Commander Brandis. Sie wurden mir avisiert.“
Sir Richard war eine majestätische Erscheinung, und er wußte das. Eine kurze Unterbrechung schloß sich an. Ein Techniker der Stella-TV drückte eilfertig mehrere Knöpfe, wobei er murmelte: „Das gehört ja wohl nicht mehr zur Übertragung.“ Der Justizminister wartete, bis der Techniker den Raum verlassen hatte, dann nickte er huldvoll:
„Ich höre.“
Diesmal schilderte ich den Fall Ko Ai in aller Ausführlichkeit, und ich endete: „Bleibt zu bemerken, Exzellenz, daß Generalkommissar Berger es abgelehnt hat, den Antrag auf Gewährung politischen Asyls zu befürworten.“
Sir Richard lehnte sich hoheitsvoll im Sessel zurück.
„Das, Commander“, erwiderte er, „ist nur korrekt. Ich wüßte nicht, was es an dieser Entscheidung zu beanstanden gäbe.“
Wieder einmal traute ich meinen Ohren nicht; meine Beherrschung war mittlerweile zu einem seidenen Faden geworden.
„Dennoch, Exzellenz, bin ich der Überzeugung, daß Sie nach nochmaliger Überprüfung des Falles die Abschiebung von Ko Ai verhindern können.“
Sir Richard schoß mir einen napoleonischen Blick zu. „So? Und worauf, Commander, stützt sich diese Ihre Überzeugung?“
Meine ganze Hoffnung lag in meinen nächsten Worten:
„Exzellenz, erlauben Sie mir unumwunden zu sagen, daß eine Überstellung von Miß Ko Ai an die Behörden der VOR für sie den sicheren Tod bedeutet.“
Der Justizminister schwieg.
Ich fuhr fort: „Unsere bestehenden Gesetze bewahren und schützen das Leben. Ich nehme mir die Freiheit zu zitieren: , Niemand darf gegen seinen Willen zum Verlassen der EAAU gezwungen werden, wenn er anderswo mit dem Tode bedroht ist. ’ Der Recht-auf-Leben-Paragraph, Exzellenz!“
Sir Richard hob indigniert die buschigen Augenbrauen.
„Glauben Sie im Ernst, Commander, daß wir es versäumt hätten, den von Ihnen so exakt zitierten Paragraphen daraufhin zu überprüfen, ob er im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen könnte?“
„Ja, aber dann -“
Eine ungehaltene Gebärde des obersten Juristen im Land gebot mir Schweigen.
„Der Recht-auf-Leben-Paragraph, Commander, ist vorgesehen für Personen. Bei Miß Ko Ai jedoch handelt es sich, so wie die Dinge liegen, um eine Unperson. Sie ist illegal geboren, sie ist illegal aufgewachsen, und sie führt eine illegale Existenz. So leid es mir tut -ich muß mich in diesem Fall auf das einschlägige Gutachten der VOR-Botschaft stützen.“
„Aber Miß Ko Ai lebt!“
Sir Richard schüttelte ein wenig den Kopf.
„Nicht vor dem Gesetz, Commander. Vor dem Gesetz ist sie ein Nichts - wie ich bereits formulierte: eine Unperson. Und Unpersonen haben nun einmal kein Recht auf Leben. Sie sehen, mir sind die Hände gebunden.“
„Aber über alles hinaus“, sagte ich zitternd vor Hilflosigkeit, „gibt es doch so etwas wie ein Gesetz der Menschlichkeit!“
Der napoleonische Blick wurde um einiges milder.
„Ganz recht, Commander“, sagte Sir Richard. „Und darum bin ich bereit, Ihnen entgegenzukommen. Ich werde veranlassen, daß die Abschiebung von Miß Ko Ai erst in drei Tagen erfolgt. Solange darf sie aufgrund der von Ihnen geleisteten Bürgschaft in Ihrer Wohnung bleiben.“
War dies der Augenblick,
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