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Weltraumpartisanen 19: Astropolis

Weltraumpartisanen 19: Astropolis

Titel: Weltraumpartisanen 19: Astropolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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wurde das Triebwerk bedient, das sich in Form zweier überdimensionaler Haifischflossen aus der Kugelgestalt herausschob – genau dort, wo sich der Null-Meridian mit dem Äquator schnitt: eine ästhetische Konzession an die technische Notwendigkeit.
    In der zweiten Phase, also sobald sich Astropolis endgültig auf Position befand, würde man die nicht mehr benötigten Haifischflossen absprengen – und man würde den Kommandoturm in seine Bestandteile zerlegen, um auf diese Weise Baumaterial zu erhalten für zusätzlichen Wohnraum, der bei einem geschätzten Wachstum der Bevölkerung um 2 Prozent pro Jahr demnächst schon benötigt werden würde.
    In der vorderen Sitzreihe hatte Pater Georgius das Gesicht gegen das Fenster gepreßt – und ich glaubte zu ahnen, was in ihm vorging, wie er da die neue Welt betrachtete, deren geistliche Betreuung man in seine jungen und vielleicht noch nicht sehr erfahrenen Hände gelegt hatte, diese neue Welt, die ihm nun Heimstatt werden sollte bis zu seinem letzten Atemzug. Was empfand er? War es der leidenschaftliche Mut des Missionars, der die fremde Küste betritt, oder war es der Ernst eines Menschen, der in stummem Gehorsam die pflichtgemäße Verbannung auf sich nimmt? Wahrscheinlich war es das eine ebenso wie das andere. Ich achtete Pater Georgius’ nachdenkliche Stimmung und sprach ihn nicht an.
    Der zweite Mann mit einer Soutane wandte mir den Rücken zu. Er hatte den Priesterhut tief ins Gesicht gezogen und tat, als ob er schliefe, und ich hütete mich, ihn zu wecken – nun, da es mir gelungen war, das leidige Problem namens Gilbert Graham von mir abzuwälzen. Es ging mich nichts mehr an, und alle Verantwortung ruhte auf Pater Georgius’ Schultern. Und auch später, nahm ich mir vor, würde ich den Schleier der Ungewißheit, der über diesem stummen zusätzlichen Passagier lag, nicht lüften, indem ich diesem ins Gesicht sah.
    Der plombierte Schacht, in dem sich der Raumkutter verbarg, tauchte vor dem Fenster auf und glitt vorüber, und ich hörte auf, mich mit Pater Georgius’ Begleiter zu beschäftigen, und wandte meine Gedanken der Heimkehr zu, von der mich rund neunzig Tage trennten – neunzig Tage, wenn alles nach Plan verlief: das Ablegen, die Reise, die nicht auszuschließenden Korrekturen und das Beziehen der Position.
    Das Kommando wirft seine Schatten voraus.
    Die besten Computer hatten jede Phase der langen astralen Reise vorausberechnet, und jeder Handgriff, den es auf Astropolis für mich und meine Crew zu tun gab, war im Simulator wohl an die tausend Mal geprobt worden – aber die Erfahrung hatte mich gelehrt, daß auch dem besten Computer ein Fehler unterlaufen konnte und daß alle Technik nicht gefeit war gegen plötzliches Versagen.
    Astropolis auf Position zu bringen – nie hatte ich das stärker empfunden als in diesem Augenblick – war das schwierigste Kommando, das die VEGA mir je übertragen hatte. In jüngeren Jahren hätte ich das als Auszeichnung empfunden; mittlerweile war ich über diese Eitelkeiten hinweg und trug schwer an dem Gewicht der neuen Aufgabe, für die es in der Geschichte der Astronautik kein Beispiel gab. Der Weg des Menschen, so ging es mir durch den Sinn, ist ein Weg ins Ungewisse, und jeder neue Tag hält ebenso eine neue Erfahrung bereit wie auch die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns.
    Die provisorisch angeblockte Schleuse tauchte auf knapp unterhalb des Nordpols; und die Raumfähre verlangsamte ihre Fahrt, glitt heran und machte fest. Das Triebwerk verstummte.
    Im Lautsprecher erklang die Stimme des Piloten: »Warten Sie mit dem Übersteigen auf grünes Licht!«
    Pater Georgius löste sich aus den Gurten, erhob sich und nahm seine Reisetasche auf. Er wandte sich um, und sein Blick begegnete dem meinen.
    Pater Georgius lächelte nicht, und seine Stimme klang leicht belegt, als er sagte: »Gesegnet sei unser Eingang und Ausgang!«
    »Amen«, sagte ich, zwängte mich an ihm vorüber, drückte dem Piloten die Hand – und als das grüne Licht aufflammte, quetschte ich mich durch die Schleuse und betrat als erster den Fahrstuhl, der mich aus der Kälte des Raumes in den milden Frühling von Astropolis trug.
    Der Fahrstuhl hielt, die Tür fuhr auf – und damit fiel der Lärm einer Blaskapelle über mich her, und ich trat blinzelnd hinaus in das Sonnenlicht: auf einen weiten, mit rostrotem Granulat bedeckten Platz, der zum Stadion des neuen astralen Gemeinwesens gehörte. Nach drei Schritten hielt ich an, legte die Hand an

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