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Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage

Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage

Titel: Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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die Kombination vom Leib.
    Die Erfrierung, die er sich geholt hatte, war ein weißes, unscheinbares Mal – aber die Folgen waren nicht abzusehen. Er mußte schon sehr viel Glück haben und die Kondition eines Polarbären, um die lange Reise zu überstehen; und selbst dann noch würde es fraglich sein, ob das Bein zu retten war.
    Captain Miller murmelte etwas, was sich anhörte wie: »Na, wenn das nicht ein verdammtes Pech ist!«
    Ich ließ ihn wissen, was ich von dem Unfall hielt: »Nennen Sie es lieber eine verdammte Disziplinlosigkeit, Captain. Ich hatte ihm nicht erlaubt, den Gurt abzulegen.«
    Captain Miller schwieg.
    Lieutenant Wagner bedurfte dringend ärztlicher Betreuung. Mit den Mitteln der Bordapotheke war ihm auf die Dauer nicht ernsthaft zu helfen. Ich überließ ihn Lieutenant Kardorff und wies Captain Miller und Lieutenant Bokwe an, mir zu folgen.
    Unser Auftrag war noch nicht zu Ende, das letzte Stück mußten wir noch hinter uns bringen, je eher, umso besser.
    Das Dingi brachte uns hinüber zur Han Wu Ti . Lieutenant Minulescu – damit beschäftigt, das Schweißgerät für den Rücktransport wieder zusammenzuklappen – sah uns kommen und gab die Schleuse frei. Das Dingi fuhr ein, und als die Magneten faßten, schaltete ich das Triebwerk aus.
    Zu Lieutenant Bokwe sagte ich: »Sie bleiben hier!«, und zu Captain Miller: »Sie begleiten mich. Machen Sie sich auf einiges gefaßt.«
    Wir betraten einen eisigen Sarg. Das Bordthermometer der Han Wu Ti zeigte eine Temperatur von 83 Grad minus. Ein letzter Hauch von Feuchtigkeit hatte die Innenwände mit einer schuppigen Reifschicht überzogen.
    Captain Miller schüttelte stumm den Kopf. Ebenso wie mir fehlten ihm die Worte. Das Grauen hieß uns schweigen.
    Über dem Niedergang zum Maschinenraum befand sich das übliche Instrumentenbrett mit den bordinternen Anzeigen. Der Zeiger des Ozonographen stand auf Null: ein Zeichen dafür, daß die Aufbereitung außer Betrieb war. Der Zeiger des Sauerstoffmessers stand gleichfalls auf Null. Zum Aufbereiten war nichts mehr vorhanden.
    Die Han Wu Ti war ein Totenschiff.
    Kein Wunder, daß sie keine Antwort gab.
    Ich zog die Tür zur Messe auf – und preßte die Lippen aufeinander.
    An der Wand lehnten die beiden Stewards: steifgefroren.
    Vielleicht hatten sie gerade ein, zwei Stunden länger gelebt als die übrigen Leute an Bord. Leere Reisbranntweinflaschen, eine verchromte Schale mit fettigen Rußspuren und ein Feuerzeug machten deutlich, daß in der Messe eine offene Flamme gebrannt hatte – so lange, bis der Mangel an Sauerstoff sie zum Erlöschen gebracht hatte. Ein Dutzend unangebrochener Reisbranntweinflaschen stand auf dem Tisch.
    Ich riß mich zusammen.
    »Ich nehme mir das Cockpit vor!« sagte ich zu Captain Miller. »Überprüfen Sie die übrigen Räume.«
    »Aye, aye, Sir.«
    Ein rascher Gang durch das Schiff, um die notwendige Pflicht zu erfüllen: mehr zu tun blieb nicht übrig. Wir trennten uns.
    Ich übergehe die Bilder des Schreckens, auf die ich bei diesem Kontrollgang durch die Han Wu Ti stieß, mit Stillschweigen. Es genügt, wenn ich festhalte, daß es in keinem der Räume noch irgendwelches Leben gab.
    Die letzte Eintragung im Bordbuch war noch nicht einmal achtundvierzig Stunden alt. Zwei versäumte, vergeudete Tage! Mehr denn je überkamen mich Zorn und Verbitterung.
    Die steife Hand des Piloten umschloß noch den verchromten Schreibstift. Das Diktafon war nicht mehr zu benutzen gewesen.
    Ich kehrte zur Schleuse zurück. Captain Miller war noch nicht wieder aufgetaucht. Ohne auf ihn zu warten, setzte ich die Untersuchung fort. Im Achterschiff schließlich stieß ich auf ein verriegeltes Querschott, das im Gegensatz zu den übrigen Wandflächen keine Reifspuren trug. Ich machte kehrt – und diesmal fand ich Captain Miller wartend vor dem Ausstieg.
    »Nun?«
    Captain Miller schüttelte den Kopf.
    »Hier kommt alle Hilfe zu spät, Sir.«
    »Wieviele Tote haben Sie gezählt?«
    »Zweiundachtzig, Sir – mit den beiden Stewards.«
    Ich war auf siebzehn gekommen, darunter die komplette Besatzung. Zweiundachtzig und siebzehn ergaben neunundneunzig. Ein Passagier fehlte.
    Wir waren in Eile: Lieutenant Wagners Erfrierung machte mir Sorgen. Andererseits mußten wir Gewißheit haben – und sei es auch nur, um ein weiteres Kreuz auf die Namensliste zu setzen. Ich beschloß, noch eine Stunde zuzugeben. Es mochte immerhin sein, daß sich hinter dem verriegelten Querschott eine Luftblase gehalten hatte;

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