Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage
getan werden mußte, ein reiner Routinefall, wie er in regelmäßigen Abständen immer wieder geübt wurde: das Öffnen einer Schiffsschleuse mittels eines Schneidbrenners. Das Manöver sah gefährlicher aus, als es in Wirklichkeit war. Für einen, der bei den Übungen aufgepaßt hatte, war das zwar immer noch kein Kinderspiel, aber doch eine Tätigkeit, die er gewissermaßen im Schlaf beherrschen sollte. Das Öffnen einer Schiffsschleuse mittels eines Schneidbrenners gehörte zum kleinen Einmaleins der Grundausbildung jedes Astronauten – ebenso wie die Kenntnis der Ersten Hilfe.
Die Bestätigungen der Stationen trafen ein.
Zum ersten Mal auf dieser Reise herrschte auf der Explorator ein gesunder Geist. Unter dem Eindruck der Tragödie – einer Tragödie, von der ein jeder ereilt werden konnte, der unter den Sternen flog –, brannten die Männer darauf, sich nützlich zu machen.
Was sich vor den Fenstern des Cockpits abzeichnete, konnte nicht trostloser sein: ein Anblick, der das Gemüt belastete.
Die Leere des Raumes wehte mich an.
Eigenartigerweise vermag man über diese Leere hinwegzusehen, wenn man von ihr fest umsponnen ist: unterwegs zwischen Start und Landung. Es fehlt der feste Bezugspunkt, der dem Auge bewußt werden läßt, was das ist: leerer Raum ohne Ufer und Grenzen.
Hier jedoch machte sich die Leere bemerkbar wie ein eisiger Hauch.
Die Han Wu Ti mit ihrem gelben, beuligen, von Meteoritenstürmen genarbtem Anstrich wirkte vor der unwirklichen Kulisse, die der wolkenverhangene Neptun mit seinen beiden Monden abgab, wie ein Abbild der vollkommenen Verlorenheit.
Ich studierte sie durch das Glas.
Man hätte sie für ein verlassenes Schiff halten können – für eines dieser Wracks, für die es weder Raum noch Zeit mehr gab, sondern nur noch das lautlose Treiben durch die Unendlichkeit.
Was ich zu diesem Zeitpunkt empfand, ist schwer zu schildern.
Einerseits waren meine Gefühle beherrscht von der Enttäuschung, zu spät gekommen zu sein, wie auch von dem natürlichen Mitleid, das jeden normalen Menschen angesichts eines erbarmungswürdigen Schicksals überkommt. Ich war aufgebrochen, um zu helfen, und nun stand ich vor einem Totenschiff und kam mir überflüssig vor. Das freilich war nur eine Seite dessen, was ich empfand, denn andererseits tobte in mir der Zorn: der Zorn darüber, daß man diese Angelegenheit so lange unter den politischen Teppich gekehrt hatte, bis die Uhr abgelaufen war. Was passiert war, hätte nicht passieren müssen – vorausgesetzt, man hätte beizeiten, unmittelbar nach dem ersten Notruf der Han Wu Ti , die erforderlichen Maßnahmen ergriffen. Aber da gab es den unmenschlichen Ehrgeiz der VOR, kein eigenes Versagen einzugestehen, da gab es den bürokratischen Wirrwarr unserer eigenen Behörden und schließlich das intrigante Spiel der Politiker um Einfluß und Positionen.
Vor mir hatte ich das Ergebnis: eine verbeulte gelbe Konserve, die ich umständlich aufschneiden mußte, um dann doch nur feststellen zu können, was ich längst wußte – daß die lange, gefahrvolle Reise der Explorator umsonst gewesen war, weil auf der Han Wu Ti die eingesickerte Kälte des Weltraumes und der Mangel an Atemluft alles Leben zum Erlöschen gebracht hatten.
»Sir, der Stoßtrupp ist jetzt so weit.«
Captain Millers Stimme klang rauh. Gleich mir war er ein alter Hase und nach mehr als zwanzig Dienstjahren unter den Sternen in der Lage, sich ein Bild davon zu machen, wie die letzten Stunden auf der Han Wu Ti verlaufen sein mußten: entsetzlich langsam und entsetzlich qualvoll.
Die Arbeit, so unerfreulich sie auch sein mochte, mußte getan werden.
»Wir wollen keine Zeit verlieren. Der Stoßtrupp soll aussteigen. Sie und Lieutenant Kardorff machen inzwischen das Dingi klar.«
»Aye, aye, Sir.«
Captain Miller verließ das Cockpit.
Ich trat an das Fenster, und nach einer Weile kamen davor die Männer des Stoßtrupps in Sicht und ließen sich von ihren rucksackartig aufgeschnallten Düsenmotoren zum Havaristen hinübertragen. In ihren aluminiumfarbenen Anzügen mit den klobigen Helmen wirkten sie wie ferngesteuerte Roboter. Lieutenant Minulescu und Lieutenant Bokwe schleppten das Schweißgerät.
Ich schaltete das Mikrofon ein.
»Sprechprobe. Eins, zwei, drei, vier …«
»… fünf, sechs, sieben, acht, neun«, erwiderte Lieutenant Minulescu. »Beste Verbindung, Sir.«
»Sie wissen, was Sie zu tun haben. Sobald die Schleuse auf ist, legt das Dingi an.«
»Aye, aye,
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