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Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage

Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage

Titel: Weltraumpartisanen 20: Triton-Passage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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es konnte sogar sein, daß dort die Temperatur noch nicht diesen mörderischen Tiefpunkt erreicht hatte. Ich sprach es aus: »Los, los, los, Captain! Sorgen Sie dafür, daß wir Luft und Wärme hierherbekommen.«
    Captain Miller rührte sich nicht.
    »Sir«, machte er mich aufmerksam, »das ist ein umständliches Manöver, und am Ende kommt doch nichts dabei heraus. Ich meine, daß wir nach diesem Unfall …«
    Ich unterbrach ihn.
    »Luft und Wärme!« wiederholte ich. »Sofort. Ich denke, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt.«
    Captain Miller schluckte.
    »Aye, aye, Sir. Sie müssen's wissen.«
    Er war mit dem, was ich anordnete, nicht einverstanden, aber er unterwarf sich – und für den Augenblick war das genug.
    Es dauerte nahezu fünfundvierzig Minuten, bis die Schlauchleitung verlegt war, durch die von der Explorator vorgewärmte, sauerstoffreiche Atemluft in die eisigen Räume der Han Wu Ti gepumpt werden konnte.
    Ich beobachtete die Instrumente.
    Unendlich langsam begannen die Zeiger zu steigen.
    Bei minus 20 Grad entriegelte ich das Querschott und zog es auf.
    Dahinter befand sich der Batterieraum. Auf dem Fußboden türmte sich ein Deckenbündel, und unter den Decken lag, flach und röchelnd atmend, mit blau angelaufenem Gesicht und verdrehten Augen, das Kind. Weshalb es hier lag, war leicht zu erraten. In der Erwartung der versprochenen Hilfe hatten die Piloten, Stewards und Passagiere der Han Wu Ti , bevor sie sich selbst dem Tode auslieferten, ein letztes Opfer gebracht und die kleine Tschang Li an einen Ort geschafft, wo sie, wenn sie unter den wärmenden Decken blieb und sich nicht bewegte, noch ein paar zusätzliche Tage zu leben hatte.
    Ich weiß nicht, ob ich gebetet habe; es mag so gewesen sein. Aber ich weiß, daß ich mich bückte, Tschang Li behutsam aufhob und durch den warmen, belebenden Luftstrom, der ihr ins Gesicht wehte, zum Dingi trug.

11.
    Vier Tage später.
    Die Explorator hatte sich in ein stummes Schiff verwandelt. Starke kosmische Störungen legten ihren Sender lahm. Die Stimme von VEGA-Metropolis ließ sich besorgt vernehmen, aber unsere Antwort schlug nicht durch. Ich sah mich genötigt, meinen Bericht über die Ereignisse im Zusammenhang mit der Han Wu Ti bis auf weiteres zurückzuhalten.
    Es war an diesem Tag übrigens, als sich endgültig sagen ließ, daß Tschang Li außer Gefahr war. Sie war ein anmutiges Geschöpf mit leicht schrägen dunklen Mandelaugen und zwei entzückenden Rattenschwänzen als Zöpfe. Und sie war der lebendige Beweis dafür, daß es noch immer Wunder gab. Ein paar Stunden später – und wir hätten auch das hundertste Kreuz auf die Liste setzen müssen.
    Ich hatte für sie eine Gerätekammer räumen lassen. Dort war sie gut und bequem untergebracht – und dort war es auch, daß ich den Versuch unternahm, mit ihr ins Gespräch zu kommen.
    »Du«, sagte ich, wobei ich sie antippte, »bist Tschang Li.« 
    Sie strahlte.
    »Tschang Li«, wiederholte sie und nickte eifrig. »Tschang Li.«
    Ich legte ihre kleine Hand auf meine Brust.
    »Und ich bin Commander Brandis. Verstehst du das? Commander Brandis.«
    Sie verstand.
    »Commandel Blandis.«
    »Na, großartig!« sagte ich. »Und jetzt sag einmal Schokorade – und wenn du das richtig aussprichst, bekommst du sie. Schokorade!«
    Tschang Li himmelte mich an.
    »Commandel Blandis, Schokolade.« 
    Ich drückte ihr die Tafel in die Hand und machte mich auf, um nach Lieutenant Wagner zu sehen, dessen Befinden mich beunruhigte. Der Frost im Fleisch hatte zu wuchern begonnen.
    Ich hatte schon Leute an Raumfrost sterben gesehen, deren Erfrierung nicht größer war als ein Kirschkern. 273,15 Minusgrade wirken auf den Organismus ein wie ein unsichtbares Geschoß, das nach und nach weiterexplodiert. Keine Verbrennung kann so verheerend sein.
    Lieutenant Wagner lag mit wachsbleichem Gesicht in der Koje. Ich schlug die Decke zurück und betrachtete das Bein. Was ich sah, war nicht angetan, meine Sorgen zu vermindern; im Gegenteil. Ich war mit meinem Latein am Ende. Erste Hilfe zu leisten, war ich wohl imstande; auch einen vereiterten Zahn zu ziehen traute ich mir zu. Hier jedoch war ein erfahrener Arzt vonnöten.
    Was unter den obwaltenden Umständen getan werden konnte, war getan. Lieutenant Wagner war vollgestopft mit schmerzstillenden Injektionen und brandhemmenden Medikamenten – aber ungeachtet dessen breitete sich der Frost aus. Ein operativer Eingriff mochte helfen – aber das setzte voraus, daß wir

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