Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor
Sie los, Doktor! Was hat sich zugetragen?"
Der Arzt stöhnte. Stroganow hatte begonnen, seine abgestorbenen Gliedmaßen zu massieren.
„Es ging um den Rückstart zur Erde, Sir. Sie steckten die Köpfe zusammen
„Wer?"
„Busch führte das Wort."
„Und Sie kamen ihm in die Quere?"
Dr. Hudson schüttelte den Kopf.
„Nicht gleich, Sir. Busch wollte mich dabeihaben. Er sagte, Sie wüßten nicht, was sie täten, denn mit jedem Tag werde unsere Lage hoffnungsloser. Man müßte den Rückstart versuchen - auf Biegen oder Brechen."
„Aber Sie wollten nicht?"
„Nicht ohne Sie", sagte Dr. Hudson. „Ich sagte: Entweder wir gehen alle, oder es geht keiner. Und dann wollte ich Sie wecken, Sir."
Während Dr. Hudson sprach, hatte er Captess Kato angesehen. Mir, der ich ihn beobachtete, war klar, weshalb er Busch nicht gefolgt war. Die Romanze zwischen ihm und der Pilotin nahm feste Formen an.
Brandis nickte.
„Ich verstehe", sagte er. „Noch eins, Doktor: Wissen Sie, auf welche Weise Busch diesen Rückstart erzwingen will?"
Der Arzt leerte ein Gefäß mit Wasser, das Captess Kato ihm reichte.
Seine Stimme kräftigte sich.
„Er erwähnte die Avanti, Sir."
„Und wer ist ihm dorthin gefolgt?"
Der Arzt wußte es nicht, aber da in diesem Augenblick die drei ausgesandten Lieutenants zurückkehrten, herrschte über Buschs Gefolgschaft alsbald Gewißheit. Mit ihm waren von Bord gegangen: die gesamte Crew der Paracelsus, die beiden Krankenschwestern und die von ihnen betreuten drei Patienten Meloni, Goro und Sheriff.
Lieutenant Xuma beendete die Aufzählung, und Captess Kato übernahm es, unsere Empfindungen in Worte zu kleiden. Sie stand auf, strich sich eine vorwitzige Haarsträhne aus der Stirn und verkündete energisch:
„Gentlemen, jetzt haut es aber öfter als ein Dutzend Mal!"
Brandis, der eben zu einer Bemerkung angesetzt hatte, machte den Mund wieder zu und richtete seinen Blick auf Stroganow.
Der grauköpfige Sibiriak verzog keine Miene, als er die Übersetzung lieferte:
„Jetzt schlägt's dreizehn, Sir, und das stimmt!"
Ich starrte aus dem Fenster hinaus in das Grau. Vielleicht neigte ich dazu, Buschs Fähigkeiten zu unterschätzen. Der Rang eines Commanders war auch ihm nicht in den Schoß gefallen, und wenn er auch stets nur die weniger bedeutenden Schiffe der VEGA hatte führen dürfen, war er doch ein erfahrener Astronaut. Angenommen, es gelang ihm in der Tat, das Problem des Rückstarts dadurch zu lösen, daß er die vom Faktor ohnehin bereits gezeichnete Avanti rücksichtslos leichterte, indem er alles, was nicht unbedingt nötig war, über Bord warf? Ein paar Hundert Tonnen Gewicht ließen sich auf diese Weise bestimmt einsparen. Buschs Rechnung - weniger Gewicht gleich mehr Schub -machte einen logischen Eindruck. Aber noch war das trostlose Grau vor dem Fenster leer. Kein sieghaftes Röhren ließ sich vernehmen.
Wäre ich, wenn Busch sich statt an Dr. Hudson an mich gewandt hätte, mit ihm gegangen? Zwischen mir und der Verzweiflung stand nichts als Brandis' Wort.
Auf die Dauer ließ sich der Faktor nicht vergessen. Auf Schritt und Tritt bekam man ihn zu spüren. Von Tag zu Tag wurde unser Äußeres ungepflegter. Der Bart sproß. Der Grund dafür, weshalb wir ihn nicht rasierten, war ebenso einfach wie schrecklich: Das Rasierzeug zählte zu den Dingen des täglichen Gebrauchs, deren Format mit dem unsern nicht übereinstimmte. Im Klartext hieß das: es war zu groß für die Wichte, die der Absturz in das Loch aus uns gemacht hatte.
Die Stimme der Versuchung hatte mein Ohr nicht erreicht. Vielleicht war das gut so. Auf jeden Fall war mir eine Gewissensentscheidung erspart geblieben.
Brandis war zu einem Entschluß gekommen. Er knöpfte seine Jacke zu.
„Vorwärts, meine Herren!" sagte er. „Vielleicht können wir das Ärgste noch verhindern."
Wir schickten uns an, von Bord zu gehen. Captess Kato wollte sich uns anschließen. Brandis wandte sich noch einmal um.
„Sie bleiben!" ordnete er an. „Ich möchte Doktor Hudson nicht allein zurücklassen."
Das Grau blieb zäh wie Syrup! Die Sicht war miserabel. Farben wirkten wie ausgelaugt. Nach ein paar Schritten verschmolzen sie mit ihrer Umgebung. Die Müllkippe - unser Landeplatz - empfing uns mit dem üblichen Papierkarussell und fauligem Gestank.
Wir ließen die Stadt rechts liegen und schlugen die Richtung zur Avanti ein. Der giftgelbe Belag auf den Häusern und Fabriken flimmerte unruhig. Wann war es geschehen, daß in dieser
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