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Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor

Titel: Weltraumpartisanen 23: Vargo-Faktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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eines Löwen geschlagen haben, als er sich diesem Experiment unterzog.
    Ich folgte Brandis an Bord. Das Schiff war, wie zu erwarten, leer und verlassen. Wir trennten uns und machten uns an die Untersuchung der Räume. Auch im Inneren der Avanti war der Faktor bereits am Werk gewesen - mit unterschiedlicher Wirkung. Für einen Wissenschaftler wären die Räume eine wahre Fundgrube gewesen. In aller Seelenruhe hätte er jene Tabelle erstellen können, an der Vargo ein Leben lang gearbeitet hatte. Auf ein und denselben Faktor reagierten die verschiedenen Materialien mit unterschiedlicher Reduktion. In all dem lag ein geheimnisvolles System.
    Mit dieser Erkenntnis freilich konnten wir nicht viel anfangen. Darüber hinaus fand ich nichts Brauchbares. Mein eigenes Elend kam mir wieder in den Sinn, und niedergeschlagen machte ich mich auf die Suche nach Brandis.
    Ich fand ihn im Cockpit. Er lehnte in einer Ecke und blätterte in einer verstaubten Kladde. Als er mich bemerkte, blickte er auf. Irgend etwas - ich sah es auf Anhieb - beschäftigte seine Gedanken.
    „Etwas gefunden, Martin ?"
    „Nein. Sie?"
    „Vargos Tagebuch. Es ist erstaunlich gut erhalten. Man wird es auswerten müssen."
    „Steht etwas drin, was uns aus der Patsche hilft?"
    Brandis wiegte den Kopf.
    „Es steht sehr viel drin. Vargo war ein gründlicher Mensch. Ich brauche Zeit, um das durchzuackern. Eine Eintragung sollte Sie etwas beruhigen, Martin."
    Brandis ließ mich einen Blick auf die aufgeschlagene Seite werfen. Vargos Handschrift war von kühler Sachlichkeit. Der Satz, auf den es ankam, war unterstrichen. Er lautete:
    Ich bin mehr denn je davon überzeugt, daß der Faktor (x) unter allen Bedingungen gilt -: mithin auch in einer Umkehr der Situation.
    Ich schluckte.
    „Mark, was soll das heißen: Umkehr der Situation ?" Um Brandis' Mundwinkel spielte ein Lächeln.
    „Das soll heißen, Martin, daß Ihre Sorge, Sie müßten den Rest Ihres Lebens mit einer roten Zipfelmütze auf dem Kopf bei Wind und Regen in einem Vorgarten zubringen, unbegründet ist."
    Ich starrte auf das Buch.
    „Sie meinen, ich werde wieder normal?" Brandis klappte das Buch zu.
    „Sobald wir aus diesem Loch heraus sind - und dafür werden wir jetzt etwas tun. Gehen wir!"
    Ich zögerte.
    „Mark, und Vargo und seine Leute ... "
    Brandis schob mich zum Ausstieg.
    „Sobald wir Zeit haben", gab er zurück, „werden wir uns nach ihnen umsehen. Jetzt nicht."
    Mir war, als sähe ich ihn zum ersten Mal. Die Verantwortung, die er als Commander der Henri Dunant unverändert weitertrug, spiegelte sich auch in seinem Gesicht. Die Toten, begriff ich, mochten ruhen. Brandis ging es um die Lebenden. Und Zeit war kostbar.
    Ich turnte die Strickleiter hinab. Sie war wirklich ein komfortables Stück. Unten angekommen, wollte ich schon losmarschieren, als mein Blick auf das Wäldchen fiel. Ich rieb mir die Augen.
    Er stand zwischen den Bäumen und winkte mit beiden Armen.
    „Mark!"
    „Ich sehe."
    „Sie sind noch am Leben, Mark! Mit Vargo zusammen werden wir's schaffen!"
    Ich rannte los, quer über das Feld, so rasch mich meine Füße trugen.
    Die Anstrengung rächte sich auf der Stelle. Ich keuchte und rang nach Luft. Ich rief und die Gestalt zwischen den Bäumen fuhr fort, mir zu winken. Das Blut stieg mir in die Augen und trübte die Sicht. Ich sah rote Schleier. Das Winken rückte näher.
    Dann war ich heran und streckte die Hand aus. Brandis riß mich zurück.
    „Um Himmels willen, Martin - nicht anfassen."
    Ich stand vor einem dieser Netze, wie es sie auf diesem Kompaktplaneten allenthalben gab, und im Netz hing etwas, was wie eine menschliche Mumie aussah. Im Wind bewegten sich die Arme. Brandis neigte die Stirn.
    „Wer ist es?" flüsterte ich.
    „Er selbst", erwiderte er.
    Die Mumie im Netz war Enrico Vargo, der große Venezianer: eine leere, auf abstoßende Weise konservierte Hülse. Wahrscheinlich war es Nacht gewesen - und er hatte das klebrige Netz nicht gesehen. Mir war, als gefröre mein Blut. Keine Tonne hatte ich im Lichtschein des Holzscheites gesehen, sondern eine Spinne: groß und dick wie ein Eber.
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    11.
    20. 11.2084
    Mit einem Schrei fuhr ich aus dem Schlaf, und damit war es mit meiner Nachtruhe vorbei. Ich war in Schweiß gebadet. Teils waren daran meine Träume schuld und teils die unerträgliche Schwüle, die in den Räumen der Henri Dunant nistete, seitdem wir die Klimaanlage nicht mehr bedienten. Wir bedienten sie nicht, weil sie nicht mit unserem Faktor

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