Weltraumpartisanen 24: Astronautensonne
nichts Ungewöhnliches. Die Patrouillen dienten der allgemeinen Sicherheit im Raum. Seitdem es die UGzRR gab, hörte man immer wieder aus Schifferkreisen, hatte der leere Himmel viel von seinem Schrecken verloren.
Während das Triebwerk warmlief, trat ich noch einmal hinter das Bikolar. Der Schatten war nirgends zu sehen. Vielleicht hatte er es aufgegeben, sich für unseren Kochtopf zu interessieren. Oder aber er hatte sich, um nicht durch unseren Start gefährdet zu werden, in respektvolle Entfernung zurückgezogen.
Nachdem sich die Henri Dunant aus der lunaren Umlaufbahn gelöst hatte, übergab ich Captess Kato das Kommando und bestieg das Dingi. Lieutenant Stroganow zeigte sich besorgt.
„Sir“, sagte er, „es könnte sein, daß Sie in Schwierigkeiten geraten. Nehmen Sie mich mit.“
Die Versuchung, ihn mitzunehmen, war groß. Dagegen sprach freilich mein Sinn für Verantwortung. Ich hatte keine Ahnung, welcher Art die Klemme war, in der Martin Seebeck steckte. Den Graukopf mit hineinzuziehen, der unmittelbar vor der Pensionierung stand, konnte sich als Fehler erweisen.
„Ihr Platz, Lieutenant, ist im Kartenhaus!“ erwiderte ich. Es klang schroffer als beabsichtigt. Ich fügte hinzu: „Danke, Iwan.“
Das Dingi schoß hinaus in den freien Raum, und ich beeilte mich, es in die Umlaufbahn zurückzuführen. Der Mond rückte näher: gelbe Wüsten, braunes Gestein; Staub und Geröll-, Gebirge und blatternarbige Ebenen; Trichter und Krater. Die wilden Drachenzähne des Montes Cordillera. Die Türme und Pagoden von Las Lunas tauchten unter mir auf und zogen vorüber. Ich schaltete das Kartenbild ein und verglich es mit der lunaren Landschaft.
Falls meine Ahnung mich nicht trog, war Seebecks Chiffre von verblüffender Einfachheit. Sie war so einfach und direkt, daß ich um ein Haar nicht die Lösung gefunden hätte. Die Chiffre baute auf gemeinsames Wissen.
Am Anfang der lunaren Besiedlung, die mittlerweile zu einem Fünf-Millionen-Babylon namens Las Lunas entartet war, hatte der Versuch gestanden, den Mond wirtschaftlich zu nutzen. Der Versuch war fehlgeschlagen. Die daran beteiligten Firmen machten entweder pleite oder zogen sich zurück. Die stummen Zeugen der kurzlebigen Epoche fand man allenthalben - in Form von verfallenen Fabrikanlagen und verlassenen Arbeitslagern. Zu diesen Überbleibseln zählte auch das stillgelegte Goldbergwerk an der Südostseite des Goclenius-Kraters.
Als der Krater in Sicht kam, sah ich auf die Uhr. Über Metropolis ging die Sonne auf: Morgenstund. Ich war zur Stelle. Nervosität drohte sich meiner zu bemächtigen. Ich zwang mich zur Ruhe und drehte über dem Krater zwei gemächliche Runden. Der Himmel war leer. Weit und breit war kein Schatten zu sehen. Das umständliche Ablenkmanöver entpuppte sich als voller Erfolg.
Das Dingi schraubte sich tiefer. Der alte Friedhof torkelte vorüber: in Vergessenheit geratene Gedenkstätte für fast zweitausend afrikanische Grubenarbeiter, die bei einem lunaren Beben in einem zusammenbrechenden Stollen den Tod gefunden hatten. Die Katastrophe gab den Ausschlag. Die ohnehin kaum rentable Grube wurde geschlossen. Den tektonischen Spannungen, unter denen die Mondkruste steht und die sich mit wechselnder Häufigkeit entladen, war der damalige Stand der Technik nicht gewachsen.
Als die Grube schloß, machte sich im Goclenius-Krater das Vergessen breit. Einmal nur noch, in der Zeit des unseligen Bürgerkrieges, hatte das Vergessen eine kurzfristige Unterbrechung erfahren, als Schauplatz eines konspirativen Treffens. Und was die vielen lunaren Beben nicht bewirkt hatten, die Zerstörung der Betriebshallen und Fördertürme, hatte das Kalte Licht eines Angreifers erreicht. Geblieben waren gespenstische Mahnmale aus geschmolzenem Gestein.
Die geborstene Landeplattform schimmerte grau durch den rötlichen Staub. Ein frischer kreisförmiger Sengfleck war zu sehen. Vor noch nicht langer Zeit war hier ein Schiff gelandet und wieder gestartet. Hatte Martin Seebeck es aufgegeben, auf mich zu warten?
Die Antwort ließ nicht auf sich warten. Ich fand sie, als ich das Dingi auf die Seite legte. Die Antwort bestand aus Fußspuren. Die Fußspuren waren die eines einzelnen Menschen, und sie waren unregelmäßig, als hätte dieser Mensch gehumpelt. Sie führten quer über das Gelände und verloren sich im Kraterrand. Der KL-Angriff hatte den betonierten Überbau mit seinen Waschanlagen und Verladerampen schmelzen lassen. Der aufgeplatzte Stollen war
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