Weltraumpartisanen 28: Metropolis-Konvoi
daran, zuvor unser Testament zu machen.«
Es war die bittere Wahrheit. Keine vierundzwanzig Stunden nach unserem Start hatte marodierendes Raumgesindel, bestehend aus abtrünnigen Offizieren und Mannschaften der Strategischen Raumflotte, Las Lunas geplündert. Weder Geld noch Gold waren angerührt, dafür jedoch an Lebensmitteln hinweggeschleppt worden, was die Schiffe trugen. Das UGzRR-Gelände war wie durch ein Wunder verschont geblieben – wohl, weil die Raubschiffe überquollen.
Und erst drei Tage war es her, daß die Astoria aufgebracht worden war. Dabei war der Schiffskoch von VOR-Deserteuren, die nach verborgenen Proviantvorräten suchten, bestialisch zu Tode gefoltert worden. Man sollte sich nichts vormachen: Die hungrigen Wölfe waren überall. Und je ärger ihnen der Hunger zusetzte, desto reißender wurden sie.
»Ein Vorzug der UGzRR ist, daß Sie jederzeit aussteigen dürfen, Weygand, sobald Sie kalte Füße bekommen.«
Ich sah noch, wie Weygand bleich wurde, dann wandte ich mich ab und setzte meinen Weg fort. Möglicherweise hatte ich ihm Unrecht getan, aber ich drehte mich nicht mehr um. Weygand war kein Vormann nach meinem Herzen.
Mit der Abfertigung hielt ich mich nicht auf; die Anmeldung mochte Captain Mboya erledigen. Ich betrat den Aufenthaltsraum, in dem Captain Romen auf einem Barschemel saß und sein Bier trank, während auf der TV-Wand die Uranus-Girls ihre Beine schwangen. Wenn man wußte, was allenthalben unter der Sonne geschah, war die Normalität des Lebens, mit der man sich auf dem Uranus konfrontiert sah, geradezu gespenstisch.
Captain Romen wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und schwang sich von seinem Sitz. In der offenen linken Brusttasche steckte die unvermeidliche Mundharmonika. Wie viele Zigeuner war Romen von einer ausgeprägten Musikalität. Auf der Florence Nightingale schleppte er eine ganze Kollektion kostbarer Geigen mit sich herum, darunter eine aus Piratenhand gerettete Stradivari.
»Mark! Willkommen in der kosmischen Schweiz!«
Ich schüttelte seine schmale, sehnige Hand. Er deutete mit einer Neigung des Kopfes auf sein Glas.
»Auch eins?«
»Keine Zeit.«
»Mark, dazu gibt es die besten Pommes frites deines Lebens – kostenlos und so viel, wie du runterkriegst. Ich bin seit dem Vormittag am Schlingen.«
»Später. Ich werde gleich abgeholt.«
»Deswegen?«
Auf der TV-Wand hatten die Ballettmiezen Platz gemacht für einen Nachrichtensprecher mit der steifen Feierlichkeit eines Bestattungsunternehmers.
»Liegt was Neues an?«
»Und ob, Mark. Die Kacke ist am Dampfen.«
Im TV-Studio lief etwas schief. Der Bestattungsunternehmer wurde ausgeblendet und wieder eingeblendet.
Er machte den Mund auf.
»Wie Sie bemerkt haben, meine Damen und Herren, ist es uns leider nicht gelungen, eine Schaltung zur Venus herzustellen, die sich seit einer knappen Stunde als unabhängiges Staatswesen versteht. Eine letzte Meldung besagt, daß Sir Oleg Behrens, der Gouverneur, die im Bereich Venus stationierten Einheiten der Strategischen Raumflotte ihres auf die Zentralregierung der EAAU abgelegten Treueeides entbunden und seinem persönlichen Befehl unterstellt hat. Es muß fraglich bleiben, ob es ihm gelingen wird, die angeschlagene Disziplin der hungernden Raumsoldaten wiederherzustellen. Auf den astralen Schiffahrtsstraßen ist der Verkehr infolge sich häufender Überfälle praktisch zum Erliegen gekommen. Letztes Opfer der Soldateska war zuletzt ein mit Hilfsgütern für Metropolis beladener Konvoi vom Mars unter der Führung von Commander Danilow …«
Romen wiegte den Kopf.
»Mark, weshalb wir hier sind, kann sich Lieschen Müller an den Fingern einer Hand abzählen.«
Wahrscheinlich hatte er recht. Ein Unternehmen dieser Größenordnung ließ sich nie ganz geheimhalten. Die Leute hatten Augen im Kopf – und einen Verstand zum Kombinieren.
»Es wird kein Honigschlecken«, räumte ich ein.
»Es wird ein Himmelfahrtskommando, Mark!« sagte Romen. »Und wenn uns das Raumgesindel nicht umbringt, dann lachen wir uns eben selber tot. Sieben Rettungskreuzer, um eine 50-Millionenstadt zu versorgen! Das ist weiß Gott zum Totlachen.«
Und zum gleichen Zeitpunkt sagte der Leichenbitter der Stella-TV, der die TV-Wand beherrschte:
»…ist Jasmers Mission gescheitert. Kanada, so Gouverneur Browning, sieht sich nicht in der Lage, von seinen Vorräten etwas abzugeben. Wörtlich erklärte er: ›In Metropolis muß man zusehen, wie man zurechtkommt‹. Die hungernde
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