Weltraumpartisanen 29: Zeitspule
gelotst hatte, am Abend des 24. Dezember hier eingeliefert worden war, hätte ich für sein Leben nicht mehr viel gegeben. Die Strahlendosis, die er absorbiert hatte, wäre groß genug gewesen, um einen Elefanten zu töten.
Weygand befand sich auf dem Wege der Genesung. Mit dem Sprechen haperte es noch bei ihm, weil auch die Stimmbänder versengt waren, doch als ich meine Hand auf die seine legte, glomm in seinen Augen etwas auf.
»Geben Sie sich einen Ruck, Weygand!« sagte ich. »Die Fridtjof Nansen wartet auf Sie.«
Hatte es tatsächlich einen Zeitpunkt gegeben, als ich ihm, dem ehemaligen Major der Strategischen Raumflotte, das Schiff nicht hatte anvertrauen wollen, obwohl er sich um das Kommando in aller Form bewarb?
Daran war nicht zu rütteln.
Falls ich verblendet gewesen war, voller Vorurteil, dann hatte ich mächtig dazugelernt.
Die Libelle trug mich hinaus zu den Rampen. Die VEGA-Monteure hatten mit der Überprüfung der Schiffe schon begonnen. Den Letzten beißen die Hunde. Es durfte keinen Letzten geben.
Auf der Henri Dunant lag ein Anruf für mich vor. Ruth O’Hara bat mich unter einem Vorwand zu sich ins Büro.
Ich nutzte den Aufenthalt im Hauptgebäude, um bei John Harris, dem Direktor der VEGA, hereinzuschauen und ihm den vorgesehenen Starttermin zum Uranus zu nennen.
»Die letzte Reise, Brandis?«
»Unwiderruflich, Sir.«
John Harris war der gleichen Ansicht wie ich: Alle diese Konvoi-Reisen hatten für Metropolis allenfalls einen Aufschub der Hinrichtung bewirkt.
»Sehen wir uns noch vor dem Start?«
»Schwerlich, Sir.«
»Gott mit Ihnen, Brandis.«
Danach trat ich bei Ruth ein und schloß hinter mir die Tür.
Ruth war fündig geworden. Auf ihrem Schreibtisch lag eine flache Aluminiumdose.
Ich blickte fragend.
Ruth sprach mit gedämpfter Stimme.
»Du erinnerst dich an die sogenannte Gibraltar-Konferenz im Jahr Achtundsiebzig? Nach dem nuklearen Desaster ging es um die Rekultivierung Afrikas. Einer der Referenten war Gregorius.«
Ich legte die Hand auf die Schachtel.
»Frag nicht, wie ich dazu gekommen bin, Mark!« sagte Ruth.
Die Henri Dunant verließ, ohne auf die anderen Schiffe des Konvois zu warten, Metropolis noch an diesem Tag.
9.
Auch diesmal fuhr ich mit dem Dingi allein zur Plattform P-kop hinüber.
Der Flug war übel gewesen. Ein Geschwader hungriger Wölfe hatte uns abgefangen und eingekreist, mit knapper Not waren wir ihm entkommen. Eine weitere Plage war ein hartnäckiger Verfolger gewesen, der sich stets am Rande des Radarmeßbereichs hielt. Ein einsamer Wolf? Daran glaubte ich nicht mehr. Er war bemüht, unentdeckt zu bleiben. Wir schüttelten ihn schließlich ab, indem wir uns in einen knisternden Energiesturm flüchteten. Mit der Henri Dunant konnte man das tun, sie war ein Schlechtwetterschiff.
Der Verfolger war nicht wieder aufgetaucht.
Die Umlaufbahn, auf der Roger Hausmann P-kop stationiert hatte, lag, wie erwähnt, außerhalb des vermessenen Raumes; die Plattform fand deshalb im Handbuch keine Erwähnung. Infolge ihrer geringen Größe war sie auch mit modernsten Geräten auf größere Entfernung hin nicht zu orten. Man stieß auf sie entweder durch Zufall oder indem man sie, sofern man ihre Position kannte wie wir, zielstrebig ansteuerte.
Und Smirnoff war nicht der Mann, der bei seinen Abstechern zur Venus und zu den Ring-Plattformen mit Visitenkarten um sich warf. Von gehässigen Journalisten hatte er genug. Für seine Arbeit benötigte er Ruhe und Abgeschiedenheit, und beides garantierte ihm dieser entlegene Himmelswinkel.
Die Annäherung der Henri Dunant war ihm nicht entgangen. Als ich im Inneren von P-kop die Schleusenkammer verließ, empfing mich eine ungnädige Lautsprecherstimme: »Leise, verdammt noch mal!«
Ich fand ein Wandmikrofon, drückte die Taste und sagte: »Brandis, Professor. Darf ich raufkommen?«
»Suchen Sie sich einen Platz!« antwortete der verärgerte Lautsprecher. »Aber halten Sie gefälligst den Mund!«
Es war ganz genau so wie damals, wenn einer von uns Schülern verspätet zum Unterricht erschien. Spinni ließ keine Entschuldigung gelten.
Behutsam, damit es keine Geräusche verursachte, legte ich den Helm ab, und ebenso vorsichtig schälte ich mich aus der Kombination. Auf Zehenspitzen stieg ich die Wendeltreppe empor.
Professor Leo Smirnoff saß am Pult, sein Blick ging über die Arena hinweg in meine Richtung. Mit einer unwilligen Handbewegung gab er mir zu verstehen, ich möge bleiben, wo ich war: auf dem
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