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Weltraumpartisanen 29: Zeitspule

Weltraumpartisanen 29: Zeitspule

Titel: Weltraumpartisanen 29: Zeitspule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Brandis
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treu und brav wie ein praller Apfel steuerbord voraus. Die Perlenschnüre der Towns überzogen sie im Glast der Sonne mit silberfarbener Lametta.
    Captain Mboya streckte die Hand aus, um die Fahrt aus dem Schiff zu nehmen. Die Bremsdüsen heulten los. Lieutenant Xuma bestieg das Dingi und kehrte eine Weile später mit dem georteten Gegenstand zurück. Ich erwartete ihn vor der Schleusenkammer, als er wieder an Bord kam. Er klatschte mir das Fundstück vor die Füße.
    »Ein Stück Schleppdraht, Sir!« sagte er. »Sieht aus, als hätte man die ganze Plattform auf den Haken genommen.«
    Die Besprechung fand in der Messe statt. Was es zu tun galt – falls es überhaupt noch etwas zu tun gab – bedurfte der Zustimmung aller. Es lief auf einen offenen Bruch unserer Neutralität hinaus. Die Henri Dunant, ein Schiff unter dem Johanniterkreuz, stand im Begriff, sich in einen Machtkampf einzumischen, der sie juristisch nicht betraf. Und am Ende dieser Einmischung mochte sehr wohl die physische Vernichtung stehen.
    Als ich die Messe betrat, verstimmte das Gemurmel der darin versammelten Männer. Ich lehnte mich gegen den Kaffeespender und studierte die vertrauten Gesichter. Hatte es je auf einem Schiff unter den Sternen eine bessere Besatzung gegeben?
    »Zur Sache …«
    Worum es ging – ich trug es so bündig wie möglich vor. Sir Oleg war uns zuvorgekommen. Das Drahtseil, das wir gefunden hatten, sprach dafür, daß er sich mit praeteroskopischen Experimenten an Ort und Stelle nicht aufhielt, sondern die Plattform, so wie sie war, rigoros zur Venus schleppen ließ, wo sie ihm niemand mehr streitig machen konnte.
    »Wir könnten jetzt aufgeben«, sagte ich. »Es wäre das Vernünftigste.«
    Natürlich könnte man auch über weitere Schritte nachdenken, aber zuvor sollte man sich Gewißheit verschaffen, was mit der Plattform tatsächlich geschehen war.
    »Lieutenant Stroganow und ich sind übereingekommen, daß es möglich ist, den Schleppzug, der wohl nur langsam vorankommt, zu überholen, bevor er die Venus erreicht hat. Wir werden ihn in Augenschein nehmen. Eins steht bereits jetzt fest: Wenn wir bei diesem Manöver entdeckt werden, wird es uns ergehen wie dem Hasen, hinter dem die vielen Hunde her sind.« Ich machte eine Pause, ließ die Worte wirken und setzte hinzu: »Die Aktion unterbleibt, sofern sich auch nur einer von Ihnen, Gentlemen, ohne daß er das zu begründen braucht, dagegen ausspricht.«
    Niemand hob die Hand.
    Wir kehrten auf unsere Stationen zurück, und die Henri Dunant nahm Fahrt auf.
     
    Als Captain Mboya fünfundzwanzig Stunden später erneut die Fahrt aus dem Schiff nahm, war die Lage immer noch unklar. Die Henri Dunant hatte ihr Verhalten dem der Wölfe angepaßt und mit höchster Beschleunigung einen Haken geschlagen, und nun lag sie mit gestopptem Triebwerk und abgedunkelten Scheiben auf der Lauer.
    Im Kartenhaus war das Manöver in allen Einzelheiten durchgespielt worden.
    Welchen Weg auch immer der Schleppzug eingeschlagen hatte – im Endeffekt blieb ihm, wenn er auf bequeme Art in eine abwärtsführende Umlaufbahn eintauchen wollte, nur diese eine Wahl.
    Wenn er nicht schon vorbei war, mußte er irgendwann demnächst auftauchen.
    Bis zu diesem Zeitpunkt war alles sehr einfach gewesen: die Umsetzung einer rechnerischen Lösung in Kurs und Geschwindigkeit. Die Schwierigkeiten würden erst noch kommen – dann nämlich, sobald es darum ging, das Schiff mit einem minutiösen Zusammenspiel von Triebwerk und Bremsdüsen stets gerade so vor der großen gleißenden Sonnenscheibe zu halten, daß es der Wachsamkeit der venerischen Radaraugen entging. Zwischen Captain Mboya, der am Handruder saß, und Lieutenant O’Brien im RC war eine feste Sprechverbindung geschaltet. Ein um eine Sekunde verzögertes Rudermanöver mochte die Katastrophe heraufbeschwören. Die Henri Dunant würde zeigen müssen, ob sie die Hohe Schule der astralen Reitkunst beherrschte.
    Mehr ließ sich nicht tun. Die perfekte Tarnkappe gab es nicht – und wahrscheinlich würde sie auch nie erfunden werden. In der Vergangenheit waren von der VOR Werkstoffe entwickelt worden, die auf die Radarstrahlen nicht ansprachen. Es hatte eine Reihe von Zwischenfällen gegeben, mit Verlusten auf beiden Seiten. Inzwischen verfügte man in der EAAU über Radarsysteme, die sich durch keinen noch so raffinierten Werkstoff überlisten ließen.
    Und damit war wieder alles beim alten: beim Duell zwischen Mensch und Mensch, zwischen Wachsamkeit und

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