Weltraumzirkus d'Alembert - 1-5 - Die Geheim-Agenten des Imperiums
verborgenen Aktivitäten für den Kaiser – beschäftigt war, wurde der Planet gewöhnlich von Yvettes älterem Bruder Robert regiert, der als Titelerbe von DesPlaines den nächstniedrigeren Rang innehatte, also Markgraf war. Robert stellte innerhalb der d'Alemberts eine Ausnahme dar – er war ein Mensch, der die stille Last des Herrschens über eine Welt dem aufregenden Wanderleben mit dem Zirkus vorzog, und der Herzog war froh, diese Verantwortung auf die Schultern seines Erben abwälzen zu können. Yvette wußte, wie anstrengend die Regierung eines Planeten war, weil sie ihren Bruder oft bei seiner Regierungstätigkeit hatte beobachten können. Sie war daher darauf gefaßt, in der Markgräfin eine ähnlich vielbeschäftigte Frau anzutreffen.
Statt dessen mußte sie feststellen, daß sie – mit Hilfe einer kleinen Bestechung – den Sekretär der Herrscherin dazu bringen konnte, sie für den folgenden Nachmittag vorzumerken. Sie war darüber ein wenig erstaunt, aber gleichzeitig über die rasche Erledigung erfreut. Dem Sekretär hatte sie gesagt, sie wäre daran interessiert, einen Teil ihres beträchtlichen Vermögens auf Vesa zu investieren, und er hatte ihr mitgeteilt, daß die Markgräfin begierig wäre, Näheres über ihre Pläne zu erfahren.
Yvette fuhr vor und fand den Palast der Markgräfin geschmacklos und aufdringlich, aber sie hatte Derartiges erwartet. Ganz Vesa hatte ein solches Gepräge – warum sollte die Herrscherin eine Ausnahme machen? Edelmetalle, kostbare Hölzer und ausgesuchte Marmorarten bildeten den Rahmen, während die alltäglichsten Gegenstände mit Edelsteinen verziert waren. Diese Zurschaustellung von Reichtum und schlechtem Geschmack beleidigte die SOTE-Agentin, doch ließ sie sich von ihren Gefühlen nichts anmerken. Es ist eben nicht jeder in einem Zirkuszelt aufgewachsen, überlegte sie, und Geschmäcker sind eben verschieden.
Als sie schließlich die Gemächer der Markgräfin betreten durfte, fiel es ihr schon schwerer, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Die Audienz fand im Salon statt, dem prunkvollsten Raum, den Yvette je gesehen hatte. Der Boden war mit Fliesen in abstraktem Muster ausgelegt, die Wände waren aus braunem Marmor, und die hochgewölbte Decke zeigte ein fast surrealistisches Gemälde von einer Raumschiffschlacht, die nie stattgefunden hatte. Die Bogentüren des Einganges wurden von vier Meter hohen Säulen getragen. Der Raum war vollgepfropft mit Möbeln, alle mit silberbesticktem, rosa Satin bezogen und viel zu weich und üppig gepolstert.
In der Mitte thronte, reich mit Perlen behängt, Markgräfin Gindri, ganze 150 Kilo schwer. Bei der leisesten Bewegung wabbelte die teigige Haut wie eine Schüssel Gelee. Die tiefliegenden Augen erinnerten an Schweinsäuglein, die große Nase war abgeflacht. Sie schien nicht fähig, den Mund völlig geschlossen zu halten.
Neben und ein winziges Stück hinter dem Sessel der Markgräfin stand ein Mann, dessen Gesicht auf Yvette sofort Eindruck machte. Sein Mund wurde von einem braunen Vollbart und einem Schnurrbart betont, den stechenden Augen schien keine Einzelheit zu entgehen. In seinem Blick lauerte raubtierhafte Intelligenz, das spürte Yvette. Der Mann trug eine weiße Tunikajacke und Hosen, ein faustgroßer Smaragd hing an einer goldenen Halskette. In anderer Gesellschaft hätte Yvette ihn für übergewichtig angesehen, doch neben der Markgräfin wirkte er geradezu abgezehrt.
Kein Wunder, daß ihr Terminkalender so leer ist, dachte Yvette. Wer möchte denn wohl mit der etwas zu tun haben wollen?
Sie verbarg ihre Gefühle hinter einer höflichen Maske, knickste und näherte sich auf zwei Meter. Als Tochter eines Herzogs und Schwester eines Markgrafen hatte sie die höfische Etikette im kleinen Finger.
Aber Carmen Velasquez sollte ja eine Bürgerliche sein, die trotz ihres Riesenvermögens im Umgang mit der Aristokratie unerfahren war. Deswegen ließ sie ihren Knicks absichtlich linkisch ausfallen und täuschte, wie von der Gegenwart einer Markgräfin beeindruckt, eine Nervosität vor, die ihr in Wirklichkeit vollkommen fernlag. »Euer Hoheit...« fing sie stotternd an.
Der neben der Markgräfin stehende Mann berichtigte sie. »Euer Exzellenz«, warf er ein.
»Ach, entschuldigen Sie, Euer Exzellenz. Ich hatte noch nie mit so hohen Würdenträgern zu tun. Ich heiße Carmen Velasquez und ersuchte um die Audienz, weil ich Geld auf Vesa anlegen und mit Euch meine Pläne diskutieren möchte.«
»Gefällt Ihnen Vesa?«
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