Weltraumzirkus d'Alembert - 1-5 - Die Geheim-Agenten des Imperiums
gehen mich nichts an, obwohl mich Ihre Moral interessiert.« Sie sah dem Mann unverwandt in die Augen. »Sie wissen doch sicher, was mit all diesen Gästen passiert – nicht? Mit denen, die sich nie persönlich abmelden?«
Der Portier holte ausgiebig Luft. Es hatte keinen Sinn, etwas zu verschweigen – diese Frau wußte ohnehin fast alles. Sie spielte mit ihm Katze und Maus und schien jede kleine Drehung der psychologischen Klinge zu genießen, die sie in ihn hineingejagt hatte. »Ja«, sagte er seufzend. »Sie werden ermordet. Das gehört hier auf Vesa zu den Tatsachen des Lebens, und die meisten nehmen es hin. Schließlich geht es nur den Touristen an den Kragen, niemals uns Einheimischen. Wir nehmen es hin.«
»Hinnehmen ist eines – aber Sie helfen ja direkt mit. Welche Gefühle haben Sie diesbezüglich? Wie können Sie nach Hause zu Frau und Kindern gehen, die Sie gewiß lieben, und dabei wissen, daß Sie bei der Ermordung Unschuldiger die Hand im Spiel haben? Wie können Sie Ihrer Familie in die Augen sehen?«
Der Mann versuchte trotz der Fesselung ein Achselzucken. »Wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer. Warum soll ausgerechnet ich mir das Geld entgehen lassen?«
Yvette seufzte niedergeschlagen. Diese Überlegung existierte, seitdem es moralische Feiglinge gab. Vermutlich gab es in jedem Hotel auf Vesa mindestens einen bestechlichen Portier. Es hatte keinen Sinn, diesen Punkt weiterzuverfolgen. Seinem begrenzten moralischen Horizont nach hatte der Mann nichts Unrechtes getan. Sie entschloß sich, das Thema zu wechseln. »Hat Ihnen die Polizei wegen dieser verschwundenen Gäste nie Fragen gestellt?«
»Nein, warum auch? Die hat Anweisung, sich nicht einzumischen.«
Anweisung? Das brachte Yvette an den Punkt zurück, der schon zu Beginn der Nachforschungsaktion im Büro des Chefs seinerzeit aufs Tapet gebracht worden war. »Es gibt aber nur eine Person, die der Polizei solche Anweisungen geben könnte. Die Markgräfin.«
»Soviel ich weiß, ja. Hören Sie, ich bin an der Sache eigentlich nicht richtig beteiligt. Ich werde nur dafür bezahlt, daß ich mal wegsehe. Ich bin kein Mörder. Ich weiß nichts über die anderen. Ich weiß nur, was man sich so herumerzählt. Gerüchteweise verlautet, die Markgräfin hätte Befehl gegeben, nicht dagegen einzuschreiten. Ehrlich – mehr weiß ich nicht.«
Yvette war geneigt, ihm zu glauben. Dieser Mann spielte eine nur untergeordnete Rolle innerhalb der gesamten Organisation. Er hatte gewiß keinen Zugang zu den internen Machenschaften der Verschwörer. Immerhin hatte er ihr einige Hinweise gegeben und etliche ihrer Vermutungen bestätigt. Es hatte keinen Zweck, ihn weiter auszuquetschen.
»Na schön«, sagte sie. »Ich sage Ihnen jetzt, was ich mit Ihnen machen werde. Weil Sie so brav mitgespielt haben, wird es nicht weh tun.« Der Mann atmete hörbar auf. »Leider muß ich Sie für eine Weile ausschalten, damit Sie niemandem von meinem Besuch erzählen können. Ich stelle diesen Stunner auf Stufe sieben ein. Sie werden etwa sechsunddreißig Stunden außer Gefecht gesetzt und nachher etwas benommen sein, aber bleibende Schäden tragen Sie nicht davon. Trotzdem würde ich vorschlagen, Sie suchen sich einen anderen Planeten und einen anderen Job aus, und zwar rasch, falls Ihnen Ihr Wohl am Herzen liegt – womöglich einen ehrlichen Job.«
Der Mann wollte widersprechen – vergebens. Yvette drückte bereits ab. Der Portier sank reglos in seinem Stuhl zusammen, Yvette stand auf, verstaute den Stunner und schritt unbefangen aus dem Büro.
Sieht aus, als müßte ich direkt an die Spitze, dachte sie. Sie winkte ein Jit herbei und fuhr ins Hotel zurück. Sie wollte ausschlafen, bevor sie am nächsten Tag bei Markgräfin Gindri einen Besuch machte.
Anderswo hätte es der Terminkalender einer so hochgestellten Persönlichkeit, wie es die Markgräfin war, bestenfalls gestattet, Yvette nach zwei oder drei Tagen zu einer Unterredung zu empfangen. In der Adelshierarchie rangierten Markgrafen unter den Herzögen, welche individuelle Planeten regierten. Ein Markgraf war nur Herrscher über einen Kontinent, oder, im Falle Vesa, eines Mondes und mußte ein riesiges Territorium überblicken. Die Verantwortung war enorm und der für Privataudienzen reservierte Zeitaufwand entsprechend gering.
Yvette kannte die Last eines solchen Adelstitels sehr gut. Ihr Vater Etienne d'Alembert war Herzog von DesPlaines. Weil er aber meist mit der Leitung des Zirkus – und dessen
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