Weltraumzirkus d'Alembert - 1-5 - Die Geheim-Agenten des Imperiums
nämlich, daß die Bjendens einfach verschwunden waren. Die Polizei auf Vesa beschränkte sich auf Achselzucken und behauptete, an ihr läge es nicht – es kämen andauernd so viele Durchreisende, daß sie unmöglich jeden einzelnen im Auge behalten können. Sie waren sehr höflich, aber ihr Mangel an Hilfsbereitschaft brachte Kantana auf die Palme, und als kluge Frau beschloß sie, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Und was sie entdeckte, war eine Riesenüberraschung. Sie überprüfte die Angaben genau, prüfte nochmals nach und verwob sich praktisch in ein Netz von Ergebnissen. Als sie sicher sein konnte, daß die Fakten unanfechtbar waren, schickte sie uns diese auf die Erde – diesmal Dringlichkeit VIIL«
Jules und Yvette wechselten einen überraschten Blick. Dringlichkeit VIII war von einer planetenweiten Katastrophe nicht weit entfernt. Plötzlich hatte der Fall unheimlichere Formen angenommen als das bloße Verschwinden eines Bankiers mit Frau.
Der Chef nahm drei Buchrollen vom Schreibtisch. »Das sind ihre Entdeckungen«, sagte er. »Sie kamen direkt zu Helena, und sie legte sie mir sofort vor. Ich werde sie euch mitgeben. Wahrscheinlich werden sie euch den gleichen Schock versetzen wie mir. Es gibt außerdem noch zusätzliche Berichte, da wir einige Daten selbst verglichen. Das Gesamtbild ist erschreckend.«
Er ging zurück und setzte sich an den Tisch, wobei er die d'Alemberts nicht aus den Augen ließ. »Das Verschwinden der Bjendens war beileibe kein Einzelfall. In den vergangenen zwanzig Jahren verschwanden mehr als 250 000 Menschen auf Vesa spurlos!«
Jules setzte sich kerzengerade auf, und Yvette machte große Augen. »Was?« rief sie aus. »Das ist doch unmöglich.«
»Ich glaube es nicht«, sagte Jules und wiederholte die Gedanken seiner Schwester. »So viele Menschen können doch nicht einfach verschwinden.«
»Kein Mensch sagt, daß es einfach wäre!« ließ Helena hinter ihrem Vater hervor verlauten. »Wir haben den Verdacht, daß es sich um eine außergewöhnlich komplizierte Sache handelt – eine Verschwörung mit allen Schikanen.«
»Eine andere Erklärung gibt es nicht«, sagte der Chef. »Das alles ist so unerwartet, weil man sich niemals zuvor um diese Dinge gekümmert hat. Aber eine einfache Überprüfung der Raumschiff-Reservierungen förderte bereits einen Teil der Geschichte zutage. In den letzten zwei Jahrzehnten kam eine bestimmte Anzahl von Touristen nach Vesa und eine bestimmte Anzahl fuhr wieder weg. Die erste Zahl übersteigt die zweite bei weitem.«
»Vielleicht blieben sie auf Vesa hängen«, meinte Yvette.
»Leider ist die Antwort nicht so simpel«, sagte der Meistertaktiker kopfschüttelnd. »Wir haben die Bevölkerungszahl des Planeten zur Hand. Wir haben Unterlagen über Geburten, Sterbefalle, Ein- und Auswanderungen während dieser gesamten Zeitspanne, und sie reichen zur Erklärung der Bevölkerungszahl völlig aus.«
»Und warum ist das niemandem früher aufgefallen?« fragte Jules.
»Dachten sich denn die Raumfahrtgesellschaften nichts dabei, als so viele Rückfahrten storniert wurden?«
»Offenbar nicht. Der Kunde hat immer recht, und es wäre unhöflich, sich nach den Gründen für eine Stornierung zu erkundigen. Vielleicht möchte er noch bleiben, vielleicht mit einer anderen Gesellschaft zurückfliegen. Schließlich kam das alles allmählich ins Rollen, und die Wirkung verteilte sich auf alle zweiundsechzig Gesellschaften, die Vesa anlaufen. Die haben nie die Passagierzahlen miteinander verglichen. Erst als wir alle Zahlen verglichen, fiel uns diese Diskrepanz auf.«
Yvette schüttelte den Kopf. »Aber wie kann eine so große Zahl verschwinden, ohne daß jemand Krach schlägt? Es müssen doch Familien und Freunde zurückgeblieben sein. Warum wurde die Polizei nicht verständigt?«
»Doch, das wurde sie. Unsere Zentral-Computer-Einrichtung speichert die Berichte der Polizeistationen jedes Planeten, und wir gingen die Vermißtenlisten durch. Da wimmelt es von Menschen, die Vera besuchten und niemals zurückkehrten.«
»Aber wenn das so ist...«, fing Jules an.
»Ich weiß schon. Es sieht aus, als wäre jemand unfähig gewesen, die Zusammenhänge schon längst zu erkennen. Aber ehrlich, welchen Grund hätte es zu vergleichenden Querkontrollen gegeben? Ihr müßt es so sehen: Das Imperium umfaßt derzeit 1343 Planeten. Wenn wir großzügig annehmen, daß von jedem Planeten die gleiche Anzahl auf Vesa verschwand, sind es im Durchschnitt zweihundert
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