Weltraumzirkus d'Alembert 6-10 - Letzter Einsatz
ihrem Körper vertreiben. Sie mußte frisch und klar sein, um sich der neuen Situation stellen zu können.
Eine ältere Frau in der Gruppe aber schien dieser doch recht anstrengenden Tätigkeit nicht mehr gewachsen. Sie mußte Ende Fünfzig sein und hatte ein Beinleiden. Eben schleppte sie eine schwere Ladung Bretter über den Platz, als ihre Beine nachgaben und sie zusammensank. Das Holz lag verstreut auf dem Boden.
Sofort war der Aufseher zur Stelle und trieb sie zum Weiterarbeiten an. Die Frau weinte vor Schmerzen. Da packte er sie unsanft an den Armen und riß sie hoch. Wieder gaben die Beine unter ihr nach. Die Frau schluchzte hysterisch, und um sie herum hörte man zu arbeiten auf, weil die Gefangenen das Drama beobachteten und warteten, was als nächstes geschehen würde.
Abwarten war nun nicht Yvettes Stil. Auch wenn sie ein Risiko damit einging, ihre Instinkte ließen sie nicht als stumme Zeugin mitansehen, wie eine unschuldige Frau geschlagen und mißhandelt wurde. Sie legte ihre eigene Ladung ab und trat an die Seite der Gestürzten. »Alles klar, Gospoza«, flüsterte sie ihr beruhigend ins Ohr. »Ich werde Ihnen helfen.«
Da spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. Der Aufseher wollte sie wegstoßen. Wütend blickte Yvette zu dem grünlichen, fremdartigen Gesicht auf. »Ich wollte ihr nur helfen. Lassen Sie sie in Ruhe, dann kann sie weitermachen.«
Falls der Aufseher sie verstanden hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Er stieß Yvette mit solcher Wucht weg, daß sie zu Boden fiel. Yvette war nicht wenig erstaunt - diese kleinen Wichte waren kräftiger, als es den Anschein hatte. Kaum war sie wieder auf den Beinen, als sie abermals zu der Frau ging, auf die der Aufseher einschlug. Sie packte ihn am Arm und stieß ihn so nieder, wie er es mit ihr getan hatte.
Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, daß andere Aufseher herbeieilten. Das war nun das Allerletzte, was sie bezweckt hatte. Die waren alle bewaffnet und sie nicht. Auch mit ihrem Messer hatte sie bei einer solchen Begegnung keine Überlebenschance. Rasch half sie der Frau auf die Beine und wandte sich den näher kommenden Aufsehern zu, die Hände vom Körper weggestreckt in einer, wie sie hoffte, eindeutig unterwürfigen Geste.
»Ich wollte euch Knirpsen keinen Ärger machen«, sagte sie in ihrem beruhigendsten Ton. »Ich wollte der Dame bloß aufhelfen. Jetzt gehe ich wieder an meine Arbeit, und alles ist in Ordnung. Gar kein Grund, die großen bösen Waffen abzufeuern.«
Wieder war nicht zu unterscheiden, ob die Aufseher Yvettes Worte verstanden. Trotz ihres besänftigenden Tons und der Versprechungen zog einer etwas aus seinem Gürtel. Es war ein tubenförmiges Ding mit Handgriff, das einer Waffe verdächtig ähnlich sah. Seine Miene verriet Yvette, daß er im Begriff stand, die Waffe gegen sie anzuwenden.
Jetzt war mit Ruhe und Vernunft nichts mehr auszurichten. Ihr Leben stand auf dem Spiel, also ließ Yvette alle Vorsicht fahren und ging zur Selbstverteidigung über. Anstatt dem Kampf auszuweichen, lief sie mit voller Geschwindigkeit auf den Aufseher zu, der nach seiner Waffe griff. Ein hoch angesetzter und gut plazierter Tritt, und das Ding flog ihm aus der Hand. Auf dem rechten Fußballen drehend, versetzte sie ihm noch einen Hieb seitlich gegen den Kopf, so daß er zu Boden ging. Sie hatte so viel Schwung, daß sie erst wieder zum Stehen kam, als sie den linken Fuß aufsetzte. Geduckt sah sie zwei weiteren Angreifern entgegen, kampfbereit bis zum Äußersten.
Was nun geschah, traf sie unvorbereitet. Ihr kleines Handgemenge, das nur Sekunden gedauert hatte/hatte den anderen Zeit verschafft, die tubenförmigen Geräte zu ziehen. Yvette starrte in zwei Läufe. Sie wollte mit einem Sprung nach rechts ausweichen, doch dazu reichte auch ihr desplainianisches Reaktionsvermögen nicht aus.
Beiden Läufen entströmten Energiestrahlen und hüllten Yvette in ein fahles gelbes Licht. Auf die sengende Hitze der Strahlen gefaßt, erstarrte Yvette und sandte ein stummes Stoßgebet zum Himmel.
Aber das waren keine gewöhnlichen Strahlen und die Wirkung dieser Waffen viel subtiler und in gewisser Weise viel beängstigender.
Ganz plötzlich kam Yvette die Welt nebensächlich und ganz entfernt vor. Ihre Sinneswahrnehmungen waren intakt, und alle Impulse erreichten ihr Gehirn wie sonst, doch schienen sie jemandem anderen zu gehören. Ihr Wille war zu Gummi geworden und ihr Verstand zu Brei. Sie, Yvette Bavol, wurde zu einem amorphen Wesen, das
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