Wem die Stunde schlaegt
zusammenzutreffen.«
»An der Front gefällt es mir besser«, sagte Robert Jordan. »Je näher zur Front, desto besser die Menschen.«
»Wie gefällt es Ihnen hinter der faschistischen Front?«
»Sehr gut. Wir haben dort prächtige Leute.«
»Na, sehen Sie, und ebenso müssen wohl die Faschisten ihre prächtigen Leute hinter unserer Front haben. Wir stöbern sie auf und erschießen sie, und sie stöbern die Unseren auf und erschießen sie. Wenn Sie drüben sind, denken Sie immer daran, wieviel Leute die anderen zu uns herüberschicken!«
»Ich habe daran gedacht.«
»Gut«, sagte Karkow. »Für heute haben Sie genug Stoff zum Nachdenken. Trinken Sie Ihr Bier aus und gehen Sie nach Hause, ich muß jetzt hinauf, mit ein paar Leuten sprechen. Leute von oben! Besuchen Sie mich bald wieder.«
Ja, dachte Robert Jordan. Im Gaylord kann man eine Menge lernen. Karkow hatte sein erstes und einziges Buch gelesen. Das Buch war kein Erfolg gewesen. Es hatte nur zweihundert Seiten, und er bezweifelte sehr, ob mehr als zweitausend Menschen es gelesen hatten. Alles, was er auf zehnjährigen Reisen kreuz und quer durch Spanien, zu Fuß, im Waggon dritter Klasse, im Bus, zu Pferd, auf dem Eselsrücken und in Lastautos an Eindrücken gesammelt hatte, war in diesem Buch zusammengetragen. Er kannte das Baskenland, Navarra, Aragón, Galicia, die beiden Kastilien und Estremadura. Es gab so gute Bücher über Spanien, wie die von Borrow und Ford und all den anderen, daß er nur sehr wenig hatte hinzufügen können. Aber Karkow fand das Buch gut. »Deshalb gebe ich mich ja mit Ihnen ab«, hatte er gesagt. »Ich finde, Ihre Schilderungen sind sehr wahrheitsgetreu, und so etwas findet man selten. Deshalb möchte ich, daß Sie dies und jenes erfahren.«
Gut. Wenn er diesen Krieg hinter sich hat, wird er ein Buch schreiben. Aber nur über Dinge, die er wirklich kennt, über das, was er wirklich weiß. Aber, dachte er, um damit fertig zu werden, muß ich besser schreiben als jetzt. Was er in diesem Krieg kennengelernt hat, das ist nicht sehr einfach zu beschreiben.
XIX
»Was machst du?« fragte ihn Maria. Sie stand dicht neben ihm, und er wandte den Kopf und lächelte sie an.
»Nichts«, sagte er. »Ich habe nachgedacht.«
»Woran hast du gedacht? An die Brücke?«
»Nein. Das ist erledigt. Ich habe an dich gedacht und an ein Hotel in Madrid, dort wohnen einige Russen, die ich kenne, und an ein Buch, das ich einmal schreiben will.«
»Gibt es viele Russen in Madrid?«
»Nein. Sehr wenige.«
»Aber die faschistischen Zeitungen schreiben, daß es Hunderttausende sind.«
»Das sind Lügen.«
»Liebst du die Russen? Der, der hier bei uns war, war auch Russe.«
»Hat er dir gefallen?«
»Ja. Ich war damals krank, aber ich fand ihn sehr schön und sehr tapfer.«
»Schön! So ein Unsinn!« sagte Pilar. »Seine Nase war platt wie eine Hand, und Backenknochen hatte er, so breit wie ein Schafshintern.«
»Er war mein Kamerad und mein guter Freund«, sagte Robert Jordan zu Maria. »Ich habe ihn sehr gern gehabt.«
»Bestimmt«, sagte Pilar. »Und dann hast du ihn erschossen.«
Als sie das sagte, blickten die Kartenspieler vom Tisch auf, und Pablo starrte Robert Jordan an. Keiner sagte ein Wort, dann fragte der Zigeuner: »Ist das wahr, Roberto?«
»Ja«, erwiderte Robert Jordan. Es war ihm nicht recht, daß Pilares erwähnte, und er bereute, daß er bei El Sordo darüber gesprochen hatte. »Auf seinen Wunsch. Er war schwer verwundet.« »¡Qué cosa más rara!« sagte der Zigeuner. »Die ganze Zeit, solange er bei uns war, hat er immer davon geredet. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich ihm versprechen mußte, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Was für eine merkwürdige Sache das ist!« wiederholte er und schüttelte den Kopf.
»Er war ein sehr merkwürdiger Mensch«, sagte Primitivo. »Sehr sonderbar.«
»Hör mal!« sagte Andrés, der eine der Brüder. »Du, der du Professor bist und alles mögliche! Glaubst du, ein Mensch kann vorauswissen, was ihm bevorsteht?«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Robert Jordan. Pablo starrte ihn neugierig an, und Pilar beobachtete ihn mit ausdrucksloser Miene. »Was diesen russischen Genossen betrifft, so war er zu lange an der Front gewesen und dadurch nervös geworden. Zuerst hatte er bei Irún gekämpft, und dort ging es schlimm zu, wie ihr wißt. Sehr schlimm. Nachher hat er im Norden gekämpft. Und als dann die ersten Guerillatrupps gebildet wurden, ist er
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