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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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die Zigeuner haben gewußt, daß er nach Tod riecht, und wenn er in die Villa Rosa kam, dann konntest du sehen, wie solche Leute wie Ricardo und Felipe González durch die Tür hinter der Theke verschwanden.«
 »Wahrscheinlich waren sie ihm Geld schuldig«, sagte Robert Jordan.
 »Möglich«, sagte Pilar. »Sehr gut möglich. Aber sie rochen auch den Tod, und alle haben davon gewußt.«
 »Was sie sagt, stimmt, Inglés«, sagte Rafael, der Zigeuner. »Bei uns ist das eine ganz bekannte Sache.«
 »Ich glaube kein Wort davon«, sagte Robert Jordan.
 »Hör mal, Inglés !« begann Anselmo. »Ich bin gegen diesen Hexenkram. Aber Pilar steht in dem Ruf, von derlei Dingen viel zu wissen.«
 »Aber was ist es denn für ein Geruch?« fragte Fernando. »Wenn ein Geruch vorhanden ist, dann muß es doch ein ganz bestimmter Geruch sein.«
 »Du willst es genau wissen, Fernandito?« sagte Pilar lächelnd zu ihm. »Du glaubst, dann könntest du es auc h riechen?«
 »Wenn es den Geruch wirklich gibt, warum soll ich ihn nicht genauso riechen können wie jeder andere?« »Warum nicht?« Pilar machte sich über ihn lustig; sie hatte ihre breiten Hände über den Knien verschränkt. »Bist du schon einmal auf einem Schiff gewesen, Fernando?«
 »Nein. Und ich hätte auch keine Lust dazu.«
 »Dann wirst du den Geruch nie erkennen können. Denn sein erster Bestandteil ist der Geruch, der entsteht, wenn auf einem Schiff ein Sturm ausbricht und die Luken verschalt werden. Leg deine Nase an den Messinggriff eines fest zugeschraubten Bullauges auf einem schaukelnden Schiff, das unter dir hin und her schwankt, so daß dir ganz hohl im Magen wird und du fast in Ohnmacht fällst, dann hast du einen Bestandteil jenes Geruchs.«
 »Es wird für mich ganz unmöglich sein, ihn zu erkennen, weil ich mich unter keinen Umständen auf ein Schiff begeben werde«, sagte Fernando.
 »Ich bin schon mehrmals mit einem Schiff gefahren«, sagte Pilar. »Nach Mexiko und nach Venezuela.«
 »Und die anderen Bestandteile?« fragte Robert Jordan.
 Pilar sah ihn spöttisch an. Sie erinnerte sich jetzt voller Stolz an ihre Seereisen.
 »Gut, Inglés. Immer lernen! Das ist das richtige. Lernen! Gut. Wenn du dann vom Schiff kommst, mußt du am frühen Morgen in Madrid den Berg hinuntergehen zum Puente de Toledo zum Matadero und dort auf dem nassen Pflaster stehen, wenn vom Manzanares ein Nebel herüberweht, und warten, bis kurz vor Tagesanbruch die alten Weiber kommen, um das Blut der geschlachteten Tiere zu trinken. Wenn solch ein altes Weib aus dem Matadero herauskommt, in die Mantilla gewickelt, und ihr Gesicht ist grau, und ihre Augen sind hohl, und auf ihrem Kinn und auf den Wangen sproßt der Altweiberbart aus der wächsernen Blässe ihres Gesichts, wie die weißlichen Keime aus einem Bohnensamen sprießen, nicht harte Stoppeln, sondern bleiche Keime in dem Tod ihres Gesichts, dann, Inglés, mußt du sie fest in deine Arme nehmen und sie an dich pressen und sie auf den Mund küssen, und dann wirst du wissen, welches der zweite Bestandteil ist, der in jenen Geruch eingeht.« »Das hat mir aber den Appetit verdorben«, sagte der Zigeuner. »Das mit den Bohnenkeimen, das war zu stark für mich.«
 »Soll ich weitererzählen?« fragte Pilar Robert Jordan. »Natürlich«, sagte er. »Wenn es wichtig ist, daß der Mensch etwas lernt, dann laß uns lernen!«
 »Das mit den Bohnenkeimen im Gesicht der alten Weiber, das dreht mir den Magen um«, sagte der Zigeuner. »Warum ist das so mit den alten Weibern, Pilar? Bei uns ist es ganz anders.«
 »Nein«, sagte Pilar, ihn verspottend. »Das alte Weib, das in ihrer Jugend so schlank war, abgesehen natürlich von dem ewigen dicken Bauch, der das Zeichen ist für die Gunst ihres Mannes, und den jede Zigeunerin immerzu vor sich herschiebt – «
 »Du sollst nicht solche Sachen reden«, sagte Rafael. »Das ist unanständig.«
 »Du bist also beleidigt!« sagte Pilar. »Hast du schon mal eine gitana gesehen, die nicht gerade vor oder nach dem Kinderkriegen war?«
 »Dich.«
 »Laß das sein!« sagte Pilar. »Jeder hat seine empfindliche Stelle. Ich wollte bloß sagen, daß bei jedem Menschen das Alter seine besonderen Häßlichkeiten mit sich bringt. Man braucht nicht ins einzelne zu gehen. Aber wenn der Inglés wissen will, wie der Geruch ist, den er so gerne erkennen möchte, dann muß er frühmorgens zum Matadero gehen.«
 »Ja, das werde ich machen«, sagte Robert Jordan. »Aber ich werde den

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