Wem die Stunde schlaegt
mit dabei gewesen und hat ohne Unterbrechung gearbeitet, hier, in Estremadura und in Andalusien. Ich glaube, er war übermüdet und sehr nervös und litt unter Zwangsvorstellungen.«
»Er wird sicherlich böse Dinge erlebt haben«, sagte Fernando.
»Wie alle Welt«, sagte Andrés. »Aber hör zu, Inglés. Glaubst du, daß es so was gibt, daß ein Mensch im voraus weiß, was ihm widerfahren wird?«
»Nein«, sagte Robert Jordan. »Das ist reiner Aberglaube.«
»Nur immer weiter!« sagte Pilar. »Wir wollen die Ansicht des Professors hören.« Sie sprach wie zu einem vorlauten Kind.
»Meiner Meinung nach erzeugt die Angst in uns unangenehme Vorstellungen und Einbildungen«, sagte Robert Jordan. »Wenn ein Mensch, den bereits die Angst gepackt hat, schlimme Zeichen sieht –« »Wie zum Beispiel die Flugzeuge heute früh«, sagte Primitivo.
»Wie zum Beispiel deine Ankunft«, sagte Pablo leise, und Robert Jordan blickte über den Tisch zu ihm hin, sah, daß das keine Provokation war, sondern nur ein lautgewordener Gedanke, und fuhr dann fort: »– dann bildet er sich ein, daß es jetzt mit ihm zu Ende gehen müsse, und man hält diese Einbildung für eine prophetische Inspiration. Dabei ist es weiter nichts als – Einbildung. Ich glaube weder an Menschenfresser noch an Wahrsagen, noch an übernatürliche Phänomene.«
»Aber dieser da mit dem merkwürdigen Namen, er hat sein Schicksal klar vorausgesehen«, sagte der Zigeuner. »Und genauso ist es auch eingetroffen.«
»Er hat es nicht vorausgesehen«, sagte Robert Jordan. »Er fürchtete sich vor einer solchen Möglichkeit, und dieser Gedanke ließ ihn nicht mehr los. Niemand wird mir erzählen, daß er etwas vorausgesehen hat.«
»Auch ich nicht«, sagte Pilar, nahm etwas Asche vom Herd und blies sie von der flachen Hand weg. »Auch ich kann dir nichts erzählen?«
»Nein. Trotz all deiner Hexenkünste und deiner Zigeunerweisheit kannst auch du mir nichts erzählen.«
»Weil du ein Wunder an Schwerhörigkeit bist«, sagte Pilar. Das Kerzenlicht beleuchtete ihr hartes und massiges Gesicht. »Nicht etwa, daß du dumm wärst! Du bist einfach schwerhörig, taub. Der Taube hört keine Musik. Er hört auch das Radio nicht. Deshalb könnte er behaupten, daß es das alles nicht gibt, weil er es nie gehört hat. ¡ Qué va, Inglés! Ich habe den Tod in seinem Gesicht gesehen, als ob er dort eingebrannt gewesen wäre mit einem Brandeisen.«
»Nein«, sagte Robert Jordan hartnäckig. »Furcht hast du in seinem Gesicht gesehen. Furcht und ängstliche Unruhe. Furcht weil er soviel durchgemacht hatte. Ängstliche Unruhe weil seine Phantasie sich immer mit den schlimmsten Möglichkeiten beschäftigte.« »¡Qué va!« sagte Pilar. »Ich habe den Tod dort gesehen, so deutlich, als ob er ihm auf der Schulter gesessen hätte. Und noch mehr: er roch nach Tod.«
»Er roch nach Tod!« sagte Robert Jordan höhnisch. »Vielleicht nach Angst. Angstgeruch, den gibt es.«
»De la muerte«, sagte Pilar. »Hör zu. Als Blanquet, der der größte peón de brega war, der je gelebt hat, unter Granero arbeitete, hat er mir erzählt, daß an dem Tag von Manolo Graneros Tod, als sie auf dem Weg zur Arena in der Kapelle haltmachten, der Todesgeruch so stark war an Manolo, daß ihm, Blanquet, fast übel wurde. Und er war doch bei Manolo gewesen, als er im Hotel badete und sich anzog, bevor sie aufbrachen. Und auch als sie ganz zusammengedrängt im Auto saßen, auf dem Weg zur Arena, war von dem Geruch nichts zu spüren. Und in der Kapelle selbst spürte ihn sonst keiner außer Juan Luis de la Rosa. Weder Marcial noch Chicuelo spürten den Geruch, in der Kapelle nicht und auch später nicht, als alle vier zum paseo antraten. Juan Luis war aber totenblaß, erzählte mir Blanquet, und er, Blanquet, sagte zu ihm: ›Du auch?‹
›So, daß ich kaum atmen kann‹, sagte Juan Luis. ›Und von deinem Matador.‹
›Pues nada‹, sagte Blanquet. ›Da kann man nichts machen. Hoffen wir, daß es ein Irrtum ist.‹
›Und die anderen?‹ fragte Juan Luis den Blanquet.
›Nada‹, sagte Blanquet. ›Gar nichts. Aber der da stinkt schlimmer als José in Talavera.‹
Und an diesem selben Nachmittag hat der Stier Pocapena von der Ranch Veraguas den Monolo Granero erdrückt an den Planken der Barriere vor dem tendido Nummer zwei in der Plaza de Toros von Madrid. Ich war da, mit Finito, und ich hab's selber gesehen. Das Horn zerschmetterte ihm die Hirnschale, sein Kopf stak
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