Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
sie.
 »Niemandem, keinem einzigen. Weder im Scherz noch im Ernst. Und auch dir nicht.«
 »Nein?« sagte Robert Jordan, und wieder fühlte er, wie es ihm die Kehle zuschnürte. »Gut. Denn ich habe keine Zeit für Weiber. Wirklich nicht.«
 »Keine fünfzehn Minuten?« fragte der Zigeuner spottend. »Nicht einmal eine Viertelstunde?« Robert Jordan antwortete nicht. Er sah das Mädchen Maria an, und es würgte ihn so sehr in der Kehle, daß er nicht zu sprechen wagte.
 Maria betrachtete ihn lachend, dann errötete sie plötzlich, aber sie wandte den Blick nicht von ihm.
 »Du wirst rot«, sagte Robert Jordan zu ihr. »Wirst du oft rot?«
 »Nie.«
 »Aber jetzt bist du rot geworden.«
 »Dann werde ich in die Höhle gehen.«
 »Bleib hier, Maria.«
 »Nein«, sagte sie, ohne zu lächeln. »Ich werde jetzt in die Höhle gehen.« Sie griff nach der eisernen Pfanne, aus der sie gegessen hatten, und nach den vier Gabeln. Sie bewegte sich unbeholfen wie ein Füllen, aber mit der Anmut eines jungen Tieres. »Braucht ihr die Tassen?« fragte sie.
 Robert Jordan sah sie immer noch an, und sie errötete wieder.
 »Mach mich nicht erröten. Ich will nicht rot werden.«
 »Laß die Tassen hier«, sagte der Zigeuner zu ihr. »Da.« Er tauchte eine Tasse in den steinernen Napf und reichte sie Robert Jordan, der dem Mädchen nachblickte, wie es sich bückte und mit der schweren Eisenpfanne in der Höhle verschwand.
 »Danke«, sagte Robert Jordan. Jetzt, da das Mädchen weg war, klang seine Stimme wieder ruhig. »Das ist die letzte. Wir haben genug getrunken.«
 »Wir trinken den Napf leer«, sagte der Zigeuner. »Der halbe Schlauch ist noch voll. Wir haben ihn mit einem der Gäule geschnappt.«
 »Das war Pablos letzter Streifzug«, sagte Anselmo. »Seit damals hat er nichts mehr gemacht.«
 »Wie viele seid ihr?« fragte Robert Jordan.
 »Wir sind sieben, und dazu die zwei Weiber.«
 »Zwei?«
 »Ja, Pablos mujer.«
 »Und sie?«
 »In der Höhle. Das Mädchen kann ein bißchen kochen. Ich habe gesagt, sie kocht gut, damit sie sich freut. Aber meistens hilft sie der mujer von Pablo.«
 »Und wie ist sie, die mujer von Pablo?«
 »Etwas barbarisch«, sagte der Zigeuner grinsend. »Etwas sehr barbarisch. Wenn du Pablo häßlich findest, warte, bis du seine Frau siehst. Aber mutig. Hundertmal mutiger als Pablo. Aber etwas barbarisch.«
 »Anfangs war Pablo sehr mutig«, sagte Anselmo. »Anfangs war Pablo sehr ernst zu nehmen.«
 »Er hat mehr Menschen umgebracht als die Cholera«, sagte der Zigeuner. »Zu Beginn der Bewegung hat Pablo mehr Menschen umgebracht als der Typhus.«
 »Aber jetzt ist er schon seit langem muy flojo«, sagte Anselmo. »Sehr schlapp. Er hat große Angst vor dem Sterben.«
 »Vielleicht deshalb, weil er zu Anfang so viele umgebracht hat«, sagte der Zigeuner philosophierend. »Pablo hat mehr Menschen umgebracht als die Pest.«
 »Das und der Reichtum«, sagte Anselmo. »Außerdem trinkt er sehr viel. Jetzt möchte er sich gern zur Ruhe setzen wie ein matador de toros. Wie ein Stierkämpfer. Aber er kann sich nicht zur Ruhe setzen.«
 »Wenn er auf die andere Seite der Front geht, nehmen sie ihm seine Pferde weg und stecken ihn in die Armee«, sagte der Zigeuner. »Ich bin auch nicht darauf versessen, in die Armee zu kommen.«
 »Wie alle Zigeuner«, sagte Anselmo.
 »Warum auch?« fragte der Zigeuner. »Wer will schon zur Armee? Machen wir Revolution, um zur Armee zu kommen? Ich will gern kämpfen, aber nicht zur Armee kommen.«
 »Wo sind die andern?« fragte Robert Jordan. Er fühlte sich wohl und schläfrig vom Wein, er legte sich rücklings auf den Waldboden und sah zwischen den Baumwipfeln die kleinen Abendwölkchen des Gebirges langsam über den hohen spanischen Himmel gleiten.
 »Zwei schlafen in der Höhle«, sagte der Zigeuner. »Zwei stehen oben Wache bei unserer Kanone. Einer hält unten Wache. Wahrscheinlich schlafen sie alle.«
 Robert Jordan wälzte sich auf die Seite.
 »Was für eine Kanone ist das?«
 »Es ist ein sonderbarer Name«, sagte der Zigeuner. »Er ist mir jetzt ganz entfallen. Es ist ein Maschinengewehr.«
 Es muß ein leichtes MG sein, dachte Robert Jordan.
 »Wie schwer ist es?« fragte er.
 »Ein Mann kann es tragen, aber es ist schwer. Es hat drei Beine, die man zusammenklappt. Wir haben es bei dem letzten ernsthaften Streifzug erbeutet. Dem vor dem Wein.«
 »Wieviel Munition habt ihr?«
 »Unendlich viel«, sagte der Zigeuner.

Weitere Kostenlose Bücher