Wem die Stunde schlaegt
»Eine ganze Kiste, die unglaublich schwer ist.«
Das dürften etwa fünfhundert Magazine sein, dachte Robert Jordan.
»Wie wird es geladen? Aus einer Scheibe oder einem Gurt?«
»Oben drauf sind runde Blechdosen.«
Teufel noch mal, ein Lewis-Gewehr, dachte Robert Jordan. »Verstehst du etwas von Maschinengewehren?« fragte er den Alten.
»Nada«, sagte Anselmo. »Nichts.«
»Und du?« zu dem Zigeuner.
»Daß sie sehr schnell schießen und so heiß werden, daß man sich die Hand verbrennt, wenn man den Lauf angreift«, sagte der Zigeuner stolz.
»Das weiß jeder«, sagte Anselmo voller Verachtung.
»Vielleicht«, sagte der Zigeuner, »aber er hat mich gefragt, was ich von einer máquina weiß, und ich habe es ihm gesagt.« Dann fügte er hinzu: »Und anders als ein gewöhnliches Gewehr schießen sie immerzu weiter, solange man auf den Abzug drückt.«
»Außer es gibt 'ne Ladehemmung oder die Munition ist zu Ende, oder das Ding wird so heiß, daß es schmilzt«, sagte Robert Jordan auf englisch.
»Was sagst du?« fragte Anselmo. »Nichts«, sagte Robert Jordan. »Ich habe bloß auf englisch in die Zukunft geguckt.«
»Das ist wirklich etwas Seltenes«, sagte der Zigeuner. »Auf inglés in die Zukunft gucken. Kannst du aus der Hand lesen?«
»Nein«, sagte Robert Jordan und füllte seine Tasse abermals mit Wein. »Aber wenn du es kannst, solltest du mir aus der Hand lesen und mir sagen, was in den nächsten drei Tagen passieren wird.«
»Pablos mujer liest aus der Hand«, sagte der Zigeuner. »Aber sie ist so reizbar und so barbarisch, daß ich nicht weiß, ob sie es tun wird.«
Nun richtete Robert Jordan sich auf und nahm einen Schluck Wein.
»Gehen wir gleich zu Pablos mujer. Wenn es so schlimm ist, wollen wir's hinter uns haben.«
»Ich möchte sie nicht stören«, sagte Rafael. »Sie haßt mich sehr.«
»Warum?«
»Sie behandelt mich wie einen Tagedieb.«
»Wie ungerecht!« sagte Anselmo spottend.
»Sie kann Zigeuner nicht leiden.«
»Was für ein Fehler!« sagte Anselmo.
»Sie hat selber Zigeunerblut«, sagte Rafael. »Sie weiß, was sie redet.« Er grinste. »Aber sie hat eine Zunge, eine ätzende Zunge, die beißt wie eine Ochsenpeitsche. Mit ihrer Zunge schindet sie einem die Haut vom Leibe. In Streifen. Sie ist unglaublich barbarisch.«
»Wie verträgt sie sich mit Maria?« fragte Robert Jordan.
»Gut. Sie kann sie gut leiden. Aber wenn ihr einer ernsthaft in die Nähe kommt...« Er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. »Sie ist sehr gut zu dem Mädchen«, sagte Anselmo. »Sie paßt sehr auf sie auf.«
»Als wir damals bei der Zuggeschichte«, sagte Rafael, »das Mädchen aufklaubten, war sie sonderbar. Sie redete kein Wort, und sie heulte die ganze Zeit, und wenn man sie anrührte, zitterte sie wie ein nasser Hund. Erst in der letzten Zeit ist es mit ihr besser geworden. In der letzten Zeit ist es viel besser mit ihr geworden. Heute war sie fein beisammen. Gerade vorhin, als sie mit dir sprach, war sie sehr gut beisammen. Wir hätten sie nach der Zuggeschichte zurücklassen sollen. Es hat sich bestimmt nicht gelohnt, daß man sich durch so was Trauriges und Häßliches und scheinbar Wertloses aufhalten ließ. Aber die Alte band sie an einen Strick, und wenn das Mädchen glaubte, sie kann nicht mehr weiter, da prügelte die Alte sie mit dem Strick, damit sie weiterging. Und dann, als sie wirklich nicht mehr weiter konnte, nahm die Alte sie auf die Schultern. Und als die Alte sie nicht länger schleppen konnte, mußte ich sie schleppen. Wir gingen bergauf, bis an die Brust in Ginster und Heidekraut. Und als ich sie nicht länger schleppen konnte, mußte Pablo sie schleppen. Aber wie die Alte auf uns einreden mußte, um uns dazu zu kriegen!« Er schüttelte den Kopf in Erinnerung an dieses Erlebnis. »Freilich, sie hat lange Beine, aber sie ist nicht schwer. Sie hat leichte Knochen und wiegt wenig. Aber sie war schwer genug, als wir sie schleppen mußten, und dann haltmachen, um zu schießen, und sie dann weiterschleppen, während die Alte mit dem Strick auf Pablo losschlägt und sein Gewehr trägt, und wenn er das Mädchen fallen läßt, zwingt sie ihn, es wieder aufzuheben, und sie lädt ihm das Gewehr, während sie ihn beschimpft, nimmt die Patronen aus seinen Taschen und schiebt sie ins Magazin und schimpft auf ihn los. Es wurde schon reichlich dunkel, und als die Nacht kam, war alles gut. Aber es war ein Glück, daß sie keine Kavallerie
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