Wem die Stunde schlaegt
Zigeuner. »Ich gehe.« Er wandte sich zu Robert Jordan. »Wir sehen uns beim Essen.«
»Nicht mal im Spaß!« sagte die Frau zu ihm. »Dreimal hast du heute gegessen, nach meiner Rechnung. Geh jetzt und schick Andrés zu mir.«
»Hola«, sagte sie zu Robert Jordan und reichte ihm lächelnd die Hand. »Wie geht es dir, und wie geht es der Republik?«
»Gut«, sagte er und erwiderte ihren kräftigen Händedruck. »Sowohl mir wie der Republik.«
»Das freut mich«, sagte sie. Sie schaute ihm lächelnd ins Gesicht, und er sah, daß sie schöne graue Augen hatte. »Sollen wir wieder einen Zug erledigen?«
»Nein«, sagte Robert Jordan, der sogleich Vertrauen zu ihr faßte. »Eine Brücke.«
»No es nada«, sagte sie. »Eine Brücke ist gar nichts. Wann erledigen wir wieder einen Zug, jetzt, wo wir Pferde haben?«
»Später. Diese Brücke ist sehr wichtig.«
»Das Mädchen sagt, dein Genosse, der mit uns bei dem Zug war, ist tot.«
»Ja.«
»Schade. Noch nie habe ich so eine Explosion gesehen. Er war ein begabter Mann. Er hat mir sehr gefallen. Ist es nicht doch möglich, wieder einen Zug zu erledigen? Wir haben jetzt viele Leute hier in den Bergen. Zu viele. Es ist schon schwer, sie zu füttern. Es wäre besser, von hier wegzugehen. Und wir haben Pferde.«
»Wir müssen die Brücke erledigen.«
»Wo ist sie?«
»Ganz in der Nähe.«
»Um so besser«, sagte Pablos mujer. »Sprengen wir alle Brücken in die Luft, die es nur gibt, und hauen wir ab! Ich habe dieses Loch satt. Viel zuviel Menschen sind hier beisammen. Das kann nicht gut ausgehen. Hier staut sich alles, und das ist widerlich.«
Sie erblickte Pablo zwischen den Bäumen.
»¡Borracho!« rief sie. »Säufer! Elender Säufer!« Dann wandte sie sich wieder mit fröhlicher Miene Robert Jordan zu. »Er ist mit einer Lederflasche Wein in den Wald gegangen, um allein zu saufen. Er säuft unaufhörlich. Dieses Leben richtet ihn zugrunde. Junger Mann, ich bin sehr zufrieden, daß du gekommen bist.« Sie klopfte ihm auf die Schulter. »Ha. Du bist kräftiger, als du aussiehst.« Sie strich mit der Hand über seine Schulter und betastete die Muskeln unter dem Flanellhemd. »Gut. Ich bin sehr zufrieden, daß du gekommen bist.«
»Ich auch.«
»Wir werden einander verstehen«, sagte sie. »Trink eine Tasse Wein.«
»Wir haben schon etwas getrunken«, sagte Robert Jordan. »Aber vielleicht du?«
»Nicht vor dem Essen«, sagte sie. »Sonst kriege ich Sodbrennen.« Dann fiel ihr Blick wieder auf Pablo. »¡Borracho!« rief sie. »Säufer.« Sie wandte sich kopfschüttelnd zu Robert Jordan. »Er war ein braver Mann«, sagte sie. »Aber jetzt ist es aus mit ihm. Und noch etwas will ich dir sagen. Sei sehr gut und vorsichtig zu dem Mädchen, der Maria. Sie hat Schlimmes durchgemacht. Verstehst du?« »Ja. Warum sagst du mir das?«
»Ich habe gesehen, wie es mit ihr steht, nachdem sie dich gesehen hatte, als sie in die Höhle kam. Ich sah, wie sie dich anschaute, bevor sie hinausging.«
»Ich habe ein bißchen mit ihr gescherzt.«
»Sie war sehr schlimm dran«, sagte Pablos Weib. »Jetzt geht es ihr besser. Sie müßte weg vo n hier.«
»Man kann sie doch mit Anselmo auf die andere Seite hinüberschicken.«
»Ihr beide, du und der Anselmo, ihr könnt sie mitnehmen, wenn diese Sache vorbei ist.«
Robert Jordan fühlte den Krampf in seiner Kehle und das Stocken in seiner Stimme. »Das ließe sich machen«, sagte er.
Pablos mujer betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Ja, ja. Ja, ja«, sagte sie. »Sind alle Männer so?«
»Ich habe nichts gesagt. Sie ist schön, das weißt du.«
»Nein, sie ist nicht schön, aber du meinst, sie beginnt schön zu werden«, sagte Pablos Weib. »Männer. Eine Schande für uns Weiber, daß wir sie zur Welt bringen. Nein. Im Ernst. Gibt es unter der Republik keine Heime für solche wie sie?«
»Ja«, sagte Robert Jordan. »Gute Plätze. An der Küste bei Valencia. Und auch anderswo. Man wird sie dort gut behandeln, und sie kann Kinderarbeit machen. Es sind dort Kinder aus den evakuierten Dörfern. Man wird sie anlernen.«
»Das will ich gerade«, sagte Pablos mujer. »Pablo ist schon krank nach ihr. Das ist auch eines der Dinge, die ihn umbringen. Es lastet auf ihm wie eine Krankheit, wenn er sie sieht. Am besten, sie geht jetzt.«
»Wir können sie mitnehmen, wenn diese Sache vorüber ist.« »Du wirst jetzt sehr vorsichtig mit ihr umgehen, wenn ich dir vertraue? Ich spreche zu dir, als ob
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