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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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sie ansah, wurde ihm das Atmen schwer.
 »Teller sind keine da«, sagte Anselmo. »Du mußt dein eigenes Messer benützen.«
 Das Mädchen hatte vier Gabeln mit den Zinken nach unten an den Rand der eisernen Pfanne gelehnt.
 Nun aßen sie alle aus der Pfanne, wortlos, wie das spanische Sitte ist. Es war Kaninchenfleisch, mit Zwiebeln und grünem Pfeffer gekocht, und Kichererbsen schwammen in der Rotweinsoße. Das Essen war gut gekocht, das Kaninchenfleisch von den Knochen gelöst, und die Soße schmeckte ausgezeichnet. Robert Jordan trank während des Essens noch eine Tasse Wein. Das Mädchen beobachtete ihn unablässig. Die anderen kümmerten sich alle nur um ihr Essen. Mit einem Stück Brot tunkte Robert Jordan den letzten Rest Soße auf, schob die Knochen zur Seite, tunkte auch dort, wo sie gelegen hatten, die Soße mit Brot auf, wischte dann an dem Brot seine Gabel ab, wischte das Messer ab, steckte es weg und aß das Brot. Er beugte sich vor und tauchte seine Tasse in den Wein, und das Mädchen beobachtete ihn immer noch. Robert Jordan trank die Tasse zur Hälfte leer, aber es verschlug ihm den Atem, wenn er das Mädchen ansah.
 »Wie heißt du?« fragte er. Pablo warf ihm einen raschen Blick zu, als er den Ton seiner Stimme hörte. Dann stand er auf und ging weg.
 »Maria. Und du?«
 »Roberto. Bist du schon lange in den Bergen?«
 »Drei Monate.«
 »Drei Monate?« Er blickte nach ihrem Haar, das so dicht und kurz und gewellt war, jetzt da sie verlegen mit der Hand darüber wegstrich, wie ein Kornfeld im Winde an einem Hügelhang.
 »Rasiert«, sagte sie. »Im Gefängnis von Valladolid hat man uns regelrecht rasiert. Drei Monate hat's gedauert, bis es so weit nachgewachsen ist. Ich war im Zug. Ich sollte nach dem Süden kommen. Viele von den Gefangenen hat man wieder erwischt, nachdem der Zug in die Luft geflogen war, mich aber nicht. Ich bin mit den Leuten hier mitgegangen.«
 »Ich habe sie gefunden, sie hatte sich in den Felsen versteckt«, sagte der Zigeuner. »Gerade als wir weg wollten. Junge, das war nicht schön. Wir nahmen sie mit. Aber ich dachte oft, wir müßten sie zurücklassen.«
 »Der andere, der mit beim Zug war?« fragte Maria. »Der andere Blonde. Der Ausländer. Wo ist er?«
 »Tot«, sagte Robert Jordan. »Seit April.«
 »April? Im April war die Sache mit dem Zug.«
 »Ja«, sagte Robert Jordan. »Zehn Tage nachher ist er gestorben.«
 »Armer Kerl«, sagte sie, »er war sehr tapfer. Und du machst dasselbe wie er?«
 »Ja.«
 »Du hast auch schon Züge gesprengt?«
 »Ja. Dreimal.«
 »Hier?«
 »In Estremadura«, sagte er. »Bevor ich hierherkam, war ich in Estremadura. Wir machen viel in Estremadura. Viele von uns arbeiten in Estremadura.«
 »Und warum kommst du jetzt zu uns in die Berge?«
 »Ich habe den Platz des anderen Blonden übernommen. Außerdem kenne ich die Gegend aus der Zeit vor der Bewegung.«
 »Kennst du sie gut?«
 »Nein, eigentlich nicht. Aber ich lerne schnell. Ich habe eine gute Karte und einen guten Führer.«
 »Der Alte«, sagte sie und nickte. »Der Alte ist sehr gut.«
 »Danke«, sagte Anselmo zu ihr, und Robert Jordan merkte plötzlich, daß er mit dem Mädchen nicht allein war, und er merkte auch, daß es ihm schwerfiel, sie anzuschauen, weil sich dann seine Stimme so sehr veränderte. Er war im Begriff, sich gegen die zweite der beiden Regeln zu versündigen, die man beachten muß, wenn man mit Spanisch sprechenden Menschen gut auskommen will: Gib den Männern Tabak und laß die Weiber in Frieden. Und er hatte ganz plötzlich das Gefühl, daß es ihm egal sei. Es gab so vieles, das ihm egal sein mußte, warum sollte ihm nicht auch das egal sein?
 »Du hast ein sehr schönes Gesicht«, sagte er zu Maria. »Daß ich nicht das Glück hatte, dich zu sehen, bevor sie dir das Haar gestutzt haben!«
 »Es wird nachwachsen. In sechs Monaten wird es genügend lang sein.« »Du hättest sie sehen müssen, wie wir sie damals mitschleppten. Sie war so häßlich, daß einem schlecht wurde.«
 »Wessen Frau bist du?« fragte Robert Jordan. Er versuchte jetzt, sich herauszuwinden. »Bist du Pablos Frau?«
 Sie schaute ihn an und lachte, schlug ihm mit der Hand aufs Knie.
 »Pablo? Hast du Pablo gesehen?«
 »Gut, also dann Rafael. Rafael habe ich gesehen.«
 »Auch nicht Rafael.«
 »Niemand«, sagte der Zigeuner. »Sie ist ein sonderbares Ding und gehört niemand. Aber sie kocht gut.«
 »Wirklich niemandem?« fragte Jordan

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