Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
schweren Schenkeln auf dem Grauen hockte. Das Pferd blähte die Nüstern, als er das Magazin in das Schnellfeuergewehr zurückschob. »Schau«, sagte Pilar, »schau, was ein Gaul aus ihm macht!«
 »Wenn ich bloß zwei Gäule hätte!« sagte Robert Jordan heftig.
 »Dein Pferd heißt Gefahr!«
 »Dann gib mir ein Maultier«, sagte Robert Jordan lächelnd.
 »Zieh ihn aus«, sagte er zu Pilar und deutete mit einem Ruck seines Kopfes auf den Reiter, der mit dem Gesicht nach unten im Schnee lag. »Steck alles, sämtliche Briefe und Papiere, in die Außentasche meines Rucksacks. Alles, verstanden?«
 »Ja.«
  »¡Vámonos!« sagte er.
 Pablo ritt voran, und die beiden Männer folgten ihm im Gänsemarsch, um den Schnee nicht zu zertrampeln. Robert Jordan trug das leichte MG mit der Mündung nach unten am vorderen Handgriff. Wenn es bloß dasselbe Kaliber hätte wie das Sattelgewehr! dachte er. Aber nein. Das ist eine deutsche Waffe. Und das war Kaschkins Waffe.
 Jetzt stieg die Sonne über die Berge empor. Ein warmer Wind wehte und der Schnee schmolz. Es war ein schöner Spätfrühlingsmorgen.
 Robert Jordan sah sich um und sah Maria neben Pilar stehen. Dann kam sie ihm nachgelaufen. Er blieb hinter Primitivo zurück, um mit ihr zu sprechen.
 »Du!« sagte sie. »Darf ich mitkommen?«
 »Nein. Hilf Pilar.«
 Sie ging hinter ihm und legte die Hand auf seinen Arm.
 »Ich komme mit.«
 »Nein.«
 Sie ging immer noch dicht hinter ihm.
 »Ich könnte die Beine des Maschinengewehrs festhalten, so wie du es Anselmo gesagt hast.«
 »Du wirst keine Beine halten. Weder Gewehrbeine noch sonst welche.« Hinter ihm her gehend streckte sie den Arm nach vorne und schob die Hand in seine Tasche.
 »Nein«, sagte er. »Aber gib gut acht auf dein Hochzeitshemd.«
 »Küß mich, wenn du gehst.«
 »Du bist eine schamlose Person.«
 »Ja«, sagte sie. »Ganz und gar.«
 »Marsch zurück jetzt! Es gibt viel zu tun. Vielleicht kommt es zum Kampf, wenn sie die Pferdespur verfolgen.«
 »Du«, sagte sie. »Hast du gesehen, was er an seiner Brust trug?«
 »Ja. Wieso nicht?«
 »Das Herz Jesu.«
 »Ja. Das tragen alle Navarreser.«
 »Und du hast auf das Herz gezielt?«
 »Nein, ein wenig unterhalb. Marsch zurück jetzt!«
 »Du«, sagte sie. »Ich habe alles gesehen.«
 »Du hast nichts gesehen. Ein Mann! Ein Mann, der vom Pferd fiel. Vete. Marsch zurück jetzt!«
 »Sag, daß du mich liebst.«
 »Nein. Jetzt nicht.«
 »Jetzt liebst du mich nicht mehr?«
  »¡Dejamos! Zurück mit dir! Man kann nicht gleichzeitig solche Sachen machen und – lieben!«
 »Ich möchte die Beine des Gewehrs halten und, während es knattert, dich lieben, zur gleichen Zeit.«
 »Du bist verrückt. Geh jetzt zurück.«
 »Ich bin verrückt«, sagte sie. »Ich liebe dich.«
 »Dann geh zurück.«
 »Gut. Ich gehe. Und wenn du mich nicht liebst, liebe ich dich so sehr, daß es für beide reicht.«
 Er sah sie an und lächelte aus seinen Gedanken heraus.
 »Wenn du Schüsse hörst«, sagte er, »komm mit den Pferden. Hilf Pilar mit meinen Rucksäcken. Vielleicht wird auch gar nichts passieren. Hoffentlich.«
 »Ich gehe«, sagte sie. »Schau, was für ein Pferd Pablo reitet!«
 Der große Graue schritt vor ihnen den Pfad hinan.
 »Ja. Aber geh.«
 »Ich gehe.« Ihre festgeballte Faust in seiner Tasche schlug ihn hart gegen den Schenkel. Er sah sie an und sah, daß ihr die Tränen in den Augen standen. Sie zog die Faust aus seiner Tasche, schlang beide Arme um seinen Hals und küßte ihn.
 »Ich gehe«, sagte sie. »Me voy. Ich gehe.«
 Er blickte zurück, und da sah er sie stehen, die frühe Morgensonne schien auf ihr braunes Gesicht und das gestutzte blonde, golden-verbrannte Haar. Sie drohte ihm mit der Faust, drehte sich um und ging gesenkten Hauptes zur Höhle zurück.
 Primitivo drehte sich um und schaute ihr nach.
 »Wenn sie nicht so kurzgestutzte Haare hätte, wäre sie ein hübsches Mädchen«, sagte er.
 »Ja«, sagte Robert Jordan. Er dachte an andere Dinge.
 »Wie ist sie im Bett?« fragte Primitivo.
 »Was?«
 »Im Bett.«
 »Gib acht, was du redest!«
 »Man muß doch nicht gleich beleidigt sein, wenn –«
 »Laß das sein!« sagte Robert Jordan. Er betrachtete die Stellung.
 
  XXII
 
 »Schneide mir ein paar Fichtenzweige ab!« sagte Robert Jordan zu Primitivo. »Und bring sie mir – schnell!«
 Dann sagte er zu Agustín: »Das gefällt mir nicht, daß das MG hier

Weitere Kostenlose Bücher