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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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sie ganz warm. Nur für dich sind sie kalt, weil der Schnee sie kalt gemacht hat. Sag es noch einmal.«
 »Ich liebe dich, mein kleines Kaninchen.«
 »Ich liebe dich auch, und ich bin deine Frau.«
 »Haben sie schon geschlafen?«
 »Nein«, sagte sie. »Aber ich konnte es nicht länger aushalten. Und ist es denn wichtig?«
 »Nein«, sagte er, und er fühlte ihren Körper schlank und lang und warm. »Nichts anderes ist wichtig.«
 »Leg deine Hand auf meinen Kopf«, sagte sie, »und dann laß mich versuchen, ob ich dich küssen kann.«
 »War es gut?« fragte sie.
 »Ja«, sagte er. »Zieh dein Hochzeitshemd aus.«
 »Meinst du, ich soll es ausziehen?«
 »Ja, sonst wird dir kalt werden.«
  »Qué va, kalt! Ich glühe.«
 »Ich auch. Wird dir nachher nicht kalt werden?«
 »Nein. Nachher werden wir wie ein Tier des Waldes sein und so nahe beisammen sein, daß keiner mehr wissen wird, daß der eine von uns der eine ist und nicht der andere. Fühlst du nicht, daß mein Herz dein Herz ist?« »Ja. Es ist kein Unterschied.«
 »Fühle! Ich bin du, und du bist ich, und jeder von uns ist der andere. Und ich liebe dich, oh, ich liebe dich so sehr. Sind wir nicht wirklich eins? Fühlst du es nicht?«
 »Ja«, sagte er. »Es ist wahr.«
 »Und fühle jetzt! Du hast kein anderes Herz als das meine.«
 »Und auch keine anderen Beine, keine anderen Füße, keinen anderen Körper.«
 »Aber wir sind verschieden«, sagte sie. »Ich möchte, daß wir ganz gleich wären.«
 »Das meinst du doch nicht im Ernst.«
 »Doch! Doch! Das muß ich dir einmal sagen.«
 »Du meinst es nicht im Ernst.«
 »Vielleicht«, sagte sie ganz leise, die Lippen an seiner Schulter. »Aber ich wollte es sagen. Da wir verschieden sind, bin ich froh, daß du Roberto bist und ich Maria bin. Aber wenn du einmal den Wunsch hättest, dich zu verwandeln, würde ich mich auch gerne verwandeln. Ich würde mich in dich verwandeln, weil ich dich so sehr liebe.«
 »Ich will mich nicht verwandeln. Es ist besser, nur einer zu sein, und daß jeder der ist, der er ist.«
 »Aber jetzt werden wir eins sein, und keiner wird von dem andern verschieden sein.« Dann sagte sie: »Ich werde du sein, wenn du nicht mehr da bist. Oh, ich liebe dich so sehr, und ich muß gut für dich sorgen.«
 »Maria.«
 »Ja.«
 »Maria.«
 »Ja.«
 »Maria.«
 »Oh, ja. Bitte.« »Ist dir nicht kalt?«
 »Oh, nein. Zieh den Schlafsack über deine Schulter.«
 »Maria.«
 »Ich kann nicht sprechen.«
 »O Maria. Maria. Maria.«
 Nachher, in der langen Wärme des Schlafsacks, mit der Nachtkälte draußen, dicht den Kopf an seiner Wange, still lag sie da und glücklich, dicht bei ihm, und sagte dann leise: »Und du?«
  »Como tu«, sagte er.
 »Ja«, sagte sie. »Aber es war nicht so wie heute nachmittag.«
 »Nein.«
 »Aber ich habe es noch schöner gefunden. Man muß nicht sterben.«
  »Ojalá no«, sagte er. »Hoffentlich nicht.«
 »So habe ich es nicht gemeint.«
 »Ich weiß, was du meinst. Wir meinen dasselbe.«
 »Warum sagst du dann etwas anderes?«
 »Bei einem Mann ist es anders.«
 »Dann bin ich froh, daß ich anders bin.«
 »Ich auch«, sagte er. »Aber ich verstehe schon, was du gemeint hast mit dem Sterben. Ich habe das nur aus Gewohnheit so gesagt, als Mann! Ich fühle dasselbe wie du.«
 »Wie du auch bist, und was du auch sagst, so will ich dich haben.«
 »Und ich liebe dich, und ich liebe deinen Namen, Maria.«
 »Es ist ein gewöhnlicher Name.«
 »Nein«, sagte er. »Er ist gar nicht gewöhnlich.«
 »Wollen wir jetzt schlafen?« fragte sie. »Ich könnte jetzt gleich einschlafen.« »Dann schlafen wir!« sagte er, und er fühlte den langen, warmen Körper warm an seiner Seite, wie er ihn tröstete an seiner Seite, wie er die Einsamkeit verscheuchte an seiner Seite, wie er durch eine einfache Berührung der Hüften, der Schultern und der Füße mit ihm ein Bündnis schmiedete gegen den Tod, und er sagte: »Schlaf gut, kleines, langes Kaninchen.«
 Sie sagte: »Ich schlafe schon.«
 »Ich schlafe gleich ein«, sagte er. »Schlaf gut, Geliebte.« Dann schlief er ein und war glücklich im Schlaf.
 Aber in der Nacht wachte er auf und drückte sie fest an sich, als wäre sie sein ganzes Leben und als wollte man es ihm nehmen. Er hielt sie fest und hatte das Gefühl, sie sei sein ganzes Leben, und sie war es auch. Aber sie schlief tief und fest und erwachte nicht. Er wälzte sich also wieder auf seine Seite und zog

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