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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Kummers weh tat, und schnitt ihn dann mit einem Rasiermesser dicht am Kopf ab. Und ich sah mich im Spiegel mit einem Zopf und einem borstigen Büschel an Stelle des andern. Dann schnitt er auch den zweiten Zopf ab, ohne daran zu ziehen, und das Rasiermesser streifte mein Ohr, und ich sah Blut aus der Wunde quellen. Spürst du nicht die Narbe mit deinem Finger?«
 »Ja, aber wäre es nicht besser, nicht darüber zu reden?«
 »Das ist gar nichts. Von den schlimmen Sachen will ich nicht reden. So hatte er nun mit einem Rasiermesser beide Zöpfe dicht am Kopf abgeschnitten, und die anderen lachten, und den Schnitt im Ohr fühlte ich nicht einmal, dann stellte er sich vor mich hin und schlug mir mit den Zöpfen ins Gesicht, während die beiden anderen mich festhielten, und er sagte: ›So machen wir eine rote Nonne aus dir. Das wird dich lehren, dich mit deinen proletarischen Brüdern zu vereinigen. Du Braut des roten Christus!‹
 Und er schlug mir wieder und wieder ins Gesicht mit den beiden Zöpfen, die mir gehört hatten, und dann schob er sie mir in den Mund und wickelte sie fest um meinen Hals und machte hinten einen Knoten, um mich zu knebeln, und die beiden, die mich festhielten, lachten.
 Und alle, die zuschauten, lachten, und als ich sie im Spiegel lachen sah, fing ich zu weinen an, denn bis dahin war ich von den Erschießungen so betäubt gewesen, daß ich nicht weinen konnte.
 Dann begann der eine, der mich geknebelt hatte, mir den Kopf mit einer Haarschneidemaschine zu scheren, zuerst von der Stirn bis in den Nacken und dann kreuz und quer über den ganzen Kopf und dicht hinter den Ohren, und sie hielten mich so, daß ich die ganze Zeit in den Spiegel schauen mußte, und ich konnte es kaum glauben, als ich es mit ansah, und ich weinte und weinte, aber ich konnte den Blick nicht abwenden von meinem Spiegelbild, so grauenvoll es aussah, mein Gesicht mit dem offenen Mund und den verknoteten Zöpfen und mein Kopf, der unter der Maschine ganz kahl wurde.
 Und als er mit dem Scheren fertig war, nahm er ein Fläschchen Jod von dem Wandbrett des Friseurs (den Friseur hatten sie auch erschossen, weil er einer Gewerkschaft angehörte, und er lag auf der Schwelle des Ladens, und sie hatten mich über ihn weggehoben, als sie mich hereinschleppten), und mit dem Glasstäbchen aus der Jodflasche betupfte er den Schnitt im Ohr, und der leichte Schmerz übertäubte einen Augenblick lang meinen Kummer und mein Entsetzen.
 Dann stellte er sich vor mich hin und schrieb mit dem Jod die Buchstaben U. H. P. auf meine Stirn, langsam und sorgfältig jeden einzelnen Buchstaben malend, als ob er ein Künstler wäre, und das alles sah ich im Spiegel mit an, und ich weinte nicht mehr, denn das Herz war mir erstarrt um meinen Vater und meine Mutter, und das, was jetzt mit mir geschah, war gar nichts, und ich wußte es. Als der Falangist dann mit dem Malen fertig war, trat er einen Schritt zurück und betrachtete prüfend sein Werk, und dann stellte er die Jodflasche hin und nahm die Maschine und sagte: ›Die Nächste!‹, und sie packten mich bei den Armen und schleppten mich aus dem Laden hinaus, ich stolperte über den Friseur, der dort still auf der Schwelle lag, auf dem Rücken, das graue Gesicht nach oben gekehrt, und wir stießen beinahe mit meiner besten Freundin zusammen, Concepción Gracia, die zwei von ihnen hereinschleppten, und als sie mich sah, erkannte sie mich nicht, und dann erkannte sie mich und begann zu schreien, und ich hörte sie immerzu schreien, während sie mich über den Platz stießen und ins Tor des Rathauses und die Treppen hinauf und in die Kanzlei meines Vaters, wo sie mich auf das Sofa legten. Und dort geschahen die schlimmen Dinge.«
 »Mein kleines Kaninchen«, sagte Robert Jordan und drückte sie so fest und sanft an sich, wie er nur konnte. Aber er war so voller Haß, wie das nur menschenmöglich ist. »Sprich nicht mehr darüber. Erzähle mir nichts mehr, denn ich kann schon jetzt meinen Haß nicht mehr ertragen.«
 Sie lag steif und kalt in seinen Armen und sagte: »Nein. Ich werde nie mehr darüber reden. Aber sie sind schlechte Menschen, und ich würde gern mit dir zusammen ein paar von ihnen töten, wenn ich könnte. Aber ich habe dir ja das nur erzählt, damit du trotzdem auf mich stolz sein kannst, wenn ich deine Frau werden soll. Damit du alles verstehst.«
 »Ich bin froh, daß du es mir erzählt hast«, sagte er. »Denn morgen, wenn wir Glück haben, werden wir eine Menge von Ihnen

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