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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Mann mit einem grauen, schweren, schlaffen Gesicht, geschwollenen Tränensäcken und einer hängenden Unterlippe. »Haben Sie die guten Nachrichten gehört?« Karkow ging zu ihm hin, und der Mann sagte: »Ich habe es gerade erst gehört. Vor knapp zehn Minuten. Großartig! Den ganzen Tag haben die Faschisten bei Segovia untereinander gekämpft. Sie waren gezwungen, die Meutereien mit Schnellfeuerwaffen und MG-Feuer zu unterdrücken. Am Nachmittag haben sie ihre eigenen Leute mit Flugzeugen bombardiert.«
 »So?« fragte Karkow.
 »Es ist wahr«, sagte der Mann mit den Säcken unter den Augen. »Dolores selbst hat uns die Nachricht gebracht. Sie war von einer so strahlenden Begeisterung, wie ich sie noch nie gesehen habe. Die Wahrheit leuchtet ihr aus dem Antlitz. Dieses wunderbare Antlitz –«, sagte er verzückt.
 »Dieses wunderbare Antlitz«, sagte Karkow mit völlig tonloser Stimme.
 »Wenn Sie sie hätten hören können«, sagte der Mann mit den Säcken unter den Augen. »Die frohe Nachricht strahlte von ihr aus mit einem Leuchten, das nicht von dieser Welt war. An dem Ton ihrer Stimme konnte man merken, daß alles wahr ist, was sie erzählte. Ich schreibe einen Artikel für Iswestja. Es war das eines meiner größten Kriegserlebnisse, als ich diesen Bericht von ihr hörte. Ihre herrliche Stimme, in der Mitleid, Erbarmen und Wahrheit sich mischen. Güte und Wahrheit strahlen von ihr aus, wie von einer echten Volksheiligen. Und nicht umsonst nennt man sie La Pasionaria .«
 »Nicht umsonst«, sagte Karkow mit farbloser Stimme. »Schreiben Sie lieber gleich Ihren Artikel für die Iswestja, bevor Sie diesen schönen Satz vergessen.«
 »Über diese Frau soll man sich nicht lustig machen. Nicht einmal, wenn man ein Zyniker ist wie Sie«, sagte der Mann mit den Säcken unter den Augen. »Wenn Sie sie gehört hätten und ihr Gesicht gesehen hätten!« »Diese wunderbare Stimme«, sagte Karkow. »Dieses wunderbare Antlitz. Schreiben Sie es auf«, sagte er. »Erzählen Sie es nicht mir. Verschwenden Sie nicht ganze Zeitungsspalten an mich. Gehen Sie und schreiben Sie es gleich nieder.«
 »Nicht gleich.«
 »Ich glaube, es ist besser«, sagte Karkow und sah ihn an und blickte dann weg. Der Mann mit den dicken Tränensäcken blieb noch ein Weilchen stehen, das Glas Wodka in der Hand, völlig hingerissen von der Schönheit dessen, was er gesehen und gehört hatte, und dann verließ er den Raum, um es niederzuschreiben.
 Karkow ging zu einem anderen der Anwesenden hin, es war das ein ungefähr achtundvierzigjähriger Mann, klein, untersetzt, von jovialem Aussehen, er hatte blaßblaue Augen, schütteres blondes Haar, einen lustigen Mund und einen struppigen blonden Schnurrbart. Er trug Uniform. Er war Ungar und befehligte eine Division.
 »Waren Sie hier, als Dolores hier war?« fragte ihn Karkow.
 »Ja.«
 »Was hat sie erzählt?«
 »Irgend so was, daß die Faschisten einander in die Haare geraten sind. Großartig, wenn es wahr ist.«
 »Es wird viel über den morgigen Tag geredet.«
 »Skandalös. Man müßte sämtliche Journalisten erschießen und die meisten der hier Anwesenden und vor allem diesen intriganten deutschen Lausekerl, diesen Richard. Und der Bursche, der diesem Sonntagsvögler ein Brigadekommando gegeben hat, gehört auch erschossen. Vielleicht gehören wir beide auch erschossen. Durchaus möglich«, sagte der General lachend. »Aber daß Sie es ja nicht vorschlagen.«
 »Über solche Dinge spreche ich nicht gern«, sagte Karkow. »Dieser Amerikaner, der manchmal hierherkommt, ist drüben. Sie wissen schon, wen ich meine. Diesen Jordan, der Partisanenarbeit macht. Er ist in der Gegend, in der sich die Sache abgespielt haben soll.« »Na, dann dürfte er wohl noch heute nacht einen Bericht senden«, sagte der General. »Ich bin dort unten nicht gern gesehen, sonst würde ich runtergehen und mich für Sie erkundigen. Er arbeitet in dieser Sache mit Golz zusammen, wie? Sie werden ja Golz morgen sehen.«
 »Morgen früh.«
 »Kommen Sie ihm nicht zu nahe, solange nicht alles gut geht«, sagte der General. »Er kann euch Halunken ebensowenig ausstehen wie ich. Obwohl er gutmütiger ist.«
 »Aber diese Geschichte da –«
 »Wahrscheinlich haben die Faschisten Manöver abgehalten«, sagte der General grinsend. »Na, wir werden sehen, ob Golz ein bißchen mit ihnen manövrieren kann. Er soll es nur mal versuchen. Bei Guadalajara haben wir ganz schön mit ihnen manövriert.«
 »Ich höre,

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