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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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erledigen.«
 »Aber werden wir auch Falangisten töten? Die haben es nämlich gemacht.«
 »Die Falangisten kämpfen nicht«, sagte er finster. »Sie morden in der Etappe. Ihnen begegnen wir nicht im Kampf.«
 »Können wir sie nicht auf irgendeine Weise töten? Ich möchte so gern ein paar von ihnen töten.«
 »Ich habe schon einige erledigt«, sagte er. »Und wir werden noch mehr erwischen. In den Zügen haben wir sie erwischt.«
 »Ich würde gern mit dir einen Zug überfallen«, sagte Maria. »Damals, nach der Zuggeschichte, als Pilar mich mitnahm, war ich ein bißchen verrückt. Hat sie dir erzählt, wie es mir ging?«
 »Ja. Sprich nicht darüber.«
 »In meinem Kopf war alles tot und stumpf, und ich konnte nichts weiter tun als immerzu weinen. Aber noch etwas muß ich dir sagen. Das muß ich dir sagen. Dann wirst du mich vielleicht nicht heiraten. Aber, Roberto, wenn du mich auch vielleicht nicht heiraten willst, können wir nicht trotzdem immer beisammen bleiben?«
 »Ich werde dich heiraten.«
 »Nein. Ich hatte etwas vergessen. Vielleicht solltest du mich nicht heiraten. Es ist möglich, daß ich dir nie einen Sohn oder eine Tochter gebären kann, denn Pilar sagt, wenn ich es könnte, wäre es schon nach der Sache passiert, die sie mir angetan haben. Ich muß dir das sagen. Oh, ich weiß nicht, warum ich es vergessen habe.«
 »Es ist unwichtig, Häschen«, sagte er. »Erstens braucht es nicht zu stimmen. Das kann nur ein Arzt entscheiden. Ferner möchte ich gar keinen Sohn und keine Tochter in die Welt setzen, in diese Welt, wie sie heute aussieht. Und außerdem gehört meine ganze Liebe dir.«
 »Ich möchte dir gern deinen Sohn und deine Tochter gebären«, sagte sie. »Und wie kann denn die Welt besser werden, wenn wir keine Kinder haben, die gegen die Faschisten kämpfen?«
 »Du!« sagte er. »Ich liebe dich. Hörst du? Und jetzt müssen wir schlafen, mein Kaninchen. Denn ich muß lange vor Tagesanbruch aufstehen, und die Dämmerung kommt jetzt schon sehr früh.« »Dann ist es also nicht schlimm, was ich zuletzt sagte? Wir können trotzdem heiraten?«
 »Wir sind schon verheiratet. Ich heirate dich jetzt. Du bist meine Frau. Aber schlaf ein, mein Kaninchen, denn wir haben nur noch wenig Zeit.«
 »Und wir werden wirklich heiraten? Es ist nicht nur ein Gerede?«
 »Wirklich.«
 »Dann werde ich schlafen, und wenn ich aufwache, daran denken.«
 »Ich auch.«
 »Gute Nacht, mein Gemahl.«
 »Gute Nacht«, sagte er. »Gute Nacht, meine Gemahlin.«
 Er hörte sie jetzt regelmäßig und ruhig atmen, und er wußte, daß sie schlief, und er lag wach und ganz still, um sie nicht durch seine Bewegungen aufzuwecken. Er dachte an das, was sie ihm nicht erzählt hatte, und ein tiefer Haß erfüllte ihn, und er freute sich auf das blutige Morgen. Aber ich darf nichts von alldem persönlich nehmen, dachte er.
 Wie läßt sich das vermeiden? Ich weiß, daß auch wir schreckliche Sachen gemacht haben. Aber nur deshalb, weil wir ungebildet waren und es nicht besser verstanden. Sie aber haben es absichtlich und bewußt getan. Die, die das gemacht haben, sind die letzte Blüte der Kultur, in der sie erzogen wurden. Sie sind die Blüte der spanischen Ritterschaft. Was das für Menschen waren! Was für Schurken, von Cortés, Pizarro, Menéndez de Ávila bis hinunter zu Enrique Lister und Pablo! Und was für wunderbare Menschen! Es gibt kein besseres und kein schlimmeres Volk in der Welt. Keine gütigeren und keine grausameren Menschen. Und wer versteht sie eigentlich? Ich nicht, sonst würde ich ihnen alles verzeihen. Verstehen heißt verzeihen. Das stimmt nicht. Man hat das Verzeihen übertrieben. Verzeihung ist ein christlicher Begriff, und Spanien ist nie ein christliches Land gewesen, es hatte immer seinen eigenen besonderen Götzendienst innerhalb der Kirche. Otra Virgen más. Deshalb mußten sie wohl die Jungfrauen ihrer Feinde schänden. Sicherlich hat es bei den religiösen Fanatikern tiefer gesessen als bei dem breiten Volk. Das Volk hat sich allmählich von der Kirche entfernt, weil die Kirche am Regime beteiligt war und das Regime immer ein verrottetes gewesen ist. Das einzige Land, das nie von der Reformation erfaßt wurde! Und jetzt müssen sie für die Inquisition büßen. Ja, darüber konnte man nachdenken. Damit konnte man sich von allen unnützen Grübeleien ablenken. Das ist viel gesünder, als sich was vorzumachen. Mein Gott, heute nacht hat er sich ordentlich was vorgeschwindelt.

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