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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Sie reisen auch «, sagte Karkow und zeigte lächelnd seine schlechten Zähne. Der General wurde plötzlich wütend.
 »Das habe ich auch gehört. Jetzt wird über mich geschwatzt. Immerzu wird über uns geschwatzt. Dieser dreckige, stinkende Klatschzirkel! Ein einziger Mensch, der imstande wäre, den Mund zu halten, könnte das Land retten, sofern er sich's zutraut.«
 »Ihr Freund Prieto zum Beispiel versteht den Mund zu halten.«
 »Aber er traut sich nicht zu, daß er siegen könnte. Wie kann man siegen, ohne an das Volk zu glauben?«
 »Das müssen Sie entscheiden«, sagte Karkow. »Ich lege mich jetzt ein bißchen schlafen.«
 Er verläßt das von Rauch und Klatsch erfüllte Zimmer, geht in das Schlafzimmer, setzt sich aufs Bett und zieht die Stiefel aus. Er hört immer noch die Stimmen, deshalb macht er die Tür zu und öffnet das Fenster. Er zieht sich nicht erst aus, denn um zwei Uhr früh heißt es aufbrechen, über Colmenar, Cerceda und Navacerrada an die Front, wo Golz kurz nach Tagesanbruch angreifen wird.
 
XXXIII
 
 Es war zwei Uhr früh, als Pilar ihn aufweckte. Als ihre Hand ihn berührte, glaubte er zuerst, es sei Maria, und er drehte sich zu ihr um und sagte: »Kaninchen.« Dann schüttelte ihn die kräftige Hand Pilars an der Schulter, und er war mit einem Male völlig wach, seine Hand umklammerte den Griff der Pistole, die an seinem nackten rechten Bein lag, alles an ihm war so gespannt wie die entsicherte Pistole.
 Im Dunkeln sah er, daß es Pilar war, und er blickte auf das Zifferblatt seiner Armbanduhr, sah die zwei Zeiger in spitzem Winkel in der Nähe der Zwölf leuchten, sah, daß es erst zwei war, und sagte: »Was ist mit dir los, Frau?«
 »Pablo ist verschwunden«, sagte Pilar zu ihm.
 Robert Jordan zog Hose und Schuhe an. Maria war nicht aufgewacht.
 »Wann?« fragte er.
 »Es muß eine Stunde her sein.«
 »Und?«
 »Er hat etwas von deinen Sachen mitgenommen«, sagte die Frau in kläglichem Ton.
 »So. Was denn?«
 »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Komm und schau nach.«
 Im Dunkeln gingen sie zu dem Eingang der Höhle hinüber, bückten sich unter die Decke und gingen hinein. Robert Jordan folgte Pilar in die Höhle, in der es nach kalter Asche, schlechter Luft und schlafenden Menschen roch, knipste seine elektrische Taschenlampe an, um nicht über die Schlafenden zu stolpern. Anselmo wachte auf und fragte: »Ist es Zeit?«
 »Nein«, sagte Robert Jordan. »Schlaf, Alter!«
 Die beiden Rucksäcke lagen am Kopfende von Pilars Bett, das durch eine Decke von der übrigen Höhle abgegrenzt war. Als Robert Jordan niederkniete und das Licht der Taschenlampe auf die beiden Rucksäcke richtete, stank ihm das Bett in der Nase, schal, nach getrocknetem Schweiß riechend, ekelhaft süßlich wie das Lager eines Indianers. Beide Rucksäcke waren von oben bis unten aufgeschlitzt. Robert Jordan nahm die Taschenlampe in die linke Hand und griff mit der Rechten in den ersten Sack. In diesem Packen pflegte er den Schlafsack zu verwahren, er konnte also nicht ganz voll sein. Er war auch nicht ganz voll. Ein bißchen Draht war noch da, aber die viereckige Holzschachtel des Zünders war verschwunden, ebenso die Zigarrenkiste mit den sorgfältig eingewickelten und verpackten Zündhütchen, ebenso die verschraubbare Dose mit der Zündschnur und den Kapseln.
 Robert Jordan griff in den zweiten Sack, der noch mit Sprengstoff vollgepfropft war. Ein Paket vielleicht mochte fehlen.
 Er stand auf und wandte sich zu Pilar. Es gibt ein hohles, leeres Gefühl, das einen manchmal überfällt, wenn man morgens zu früh aufgeweckt wird, und das fast das Vorgefühl einer nahenden Katastrophe ist; dieses Gefühl überwältigte ihn nun in tausendfach gesteigertem Maße.
 »Und das nennst du auf meine Sachen aufpassen!« sagte er.
 »Ich hatte meinen Kopf und den einen Arm dagegen gelehnt«, erwiderte Pilar.
 »Und du hast gut geschlafen.«
 »Hör zu!« sagte die Frau. »Er ist nachts aufgestanden, und da sagte ich: ›Wo gehst du hin, Pablo?‹ Und er sagte: ›Urinieren, Weib‹, und ich schlief wieder ein. Als ich wieder aufwachte, wußte ich nicht, wieviel Zeit vergangen war, aber ich dachte mir, weil er nicht da war, er würde zu den Pferden hinuntergegangen sein, wie das seine Gewohnheit war. Dann«, fuhr sie in kläglichem Ton ruhig fort, »als er nicht zurückkam, wurde ich unruhig, und als ich unruhig wurde, befühlte ich die Rucksäcke, um mich zu überzeugen, daß nichts passiert

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