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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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aber es stimmt.«
 »Wie die Mauren.«
 »Ja. Aber die Zigeuner haben viele Gesetze, die sie nicht eingestehen. Im Krieg sind viele Zigeuner wieder so schlecht geworden, wie sie früher in alten Zeiten waren.«
 »Sie verstehen nicht, worum es in diesem Krieg geht. Sie wissen nicht, wofür sie kämpfen.«
 »Nein«, sagte Anselmo. »Sie wissen nur, daß jetzt Krieg ist und daß man wieder töten darf, wie in den alten Zeiten, ohne gleich bestraft zu werden.« »Hast du schon einen Menschen getötet?« fragte Jordan in der Vertrautheit des Zwielichts und des gemeinsam verbrachten Tages.
 »Ja. Mehrmals. Aber nicht mit Freude. Für mich ist es eine Sünde, einen Menschen zu töten. Selbst einen Faschisten, den wir töten müssen. Für mich ist ein großer Unterschied zwischen dem Bären und dem Menschen, und ich glaube nicht an das Zaubergerede der Zigeuner über die Bruderschaft mit den Tieren. Nein. Ich bin gegen jedes Menschentöten.«
 »Und doch hast du getötet.«
 »Ja. Und ich werde es wieder tun. Wenn ich am Leben bleibe, will ich versuchen, so zu leben, niemandem etwas anzutun, daß mir verziehen wird.«
 »Von wem?«
 »Wer weiß? Seit wir hier keinen Gott mehr haben und auch seinen Sohn nicht und nicht den Heiligen Geist, wer verzeiht jetzt? Das weiß ich nicht.«
 »Du hast keinen Gott mehr?«
 »Nein. Bestimmt nicht. Wenn es einen Gott gäbe, hätte er nie das zugelassen, was ich mit meinen Augen gesehen habe. Überlassen wir ihnen den Gott.«
 »Sie erheben Anspruch auf ihn.«
 »Natürlich geht er mir ab, denn ich bin fromm erzogen worden. Aber jetzt muß der Mensch vor sich selber verantwortlich sein.«
 »Dann wirst du selbst dir das Morden verzeihen.«
 »Wahrscheinlich«, sagte Anselmo. »Wenn du es so deutlich aussprichst, glaube ich, so muß es sein. Aber mit oder ohne Gott, ich halte Töten für eine Sünde. Einem anderen das Leben nehmen ist für mich etwas sehr Ernstes. Ich tue es, wenn es sein muß, aber ich gehöre nicht zu Pablos Rasse.«
 »Um einen Krieg zu gewinnen, müssen wir unsere Feinde töten. Das war schon immer so.«
 »Sicherlich. Im Krieg müssen wir töten. Aber ich habe sehr eigene Ideen«, sagte Anselmo.
 Sie gingen jetzt Seite an Seite durch das Dunkel, und Anselmo redete ganz leise, und manchmal wendete er den Kopf um, während er weiterstapfte. »Ich würde nicht einmal einen Bischof töten. Ich würde auch keinen Grundbesitzer töten. Ich würde sie jeden Tag arbeiten lassen, so wie wir auf den Feldern gearbeitet haben, und wie wir mit dem Holz auf den Bergen arbeiten – ihr ganzes Leben lang –, dann würden sie sehen, wozu der Mensch geboren ist. Daß sie so schlafen, wie wir schlafen. Daß sie so essen, wie wir essen. Aber vor allem, daß sie arbeiten. So würden sie es lernen.«
 »Und sie würden so lange leben, bis sie dich wieder versklavt haben.«
 »Sie töten, ist keine Lehre«, sagte Anselmo. »Du kannst sie nicht ausrotten, weil aus ihrem Samen andere kommen mit noch viel mehr Haß. Das Gefängnis ist nichts. Das Gefängnis schafft nur Haß. Eine Lehre müßten alle unsere Feinde bekommen.«
 »Und trotzdem hast du getötet.«
 »Ja«, sagte Anselmo. »Viele Male, und ich werde es wieder tun. Aber nicht mit Freude, und ich werde es für eine Sünde halten.«
 »Und der Wachtposten? Du hast einen Spaß gemacht, als ob du ihn umbringen wolltest.«
 »Das war im Scherz. Ich würde ihn umbringen. Ja. Sicherlich. Und mit reinem Gewissen, weil wir eine Aufgabe haben. Aber nicht mit Freude.«
 »Wir wollen sie denen überlassen, die Freude daran haben«, sagte Robert Jordan. »Es sind ihrer acht und fünf. Das macht dreizehn für die, die Freude dran haben.«
 »Es gibt viele, die Freude dran haben«, sagte Anselmo im Dunkel des Waldes. »Wir haben viele von der Sorte. Mehr als wir Leute haben, die zum Kämpfen taugen.«
 »Hast du schon einmal einen Kampf mitgemacht?«
 »Nein«, sagte der Alte. »In Segovia haben wir am Beginn der Bewegung gekämpft, aber wir wurden geschlagen, und wir liefen davon. Ich lief mit den anderen mit. Wir wußten gar nicht richtig, was wir machten oder wie es zu machen wäre. Ich hatte auch nur eine Jagdflinte mit Schrotpatronen, und die guardia civil hatte Mausers. Ich konnte sie nicht auf hundert Meter mit Schrot treffen, und sie knallten uns auf dreihundert Meter ab, ganz nach Belieben, als ob wir Karnickel gewesen wären. Sie schossen viel und gut, und wir standen da wie die Schafe.« Er verstummte. Dann

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