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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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steilen Bergeshang die Brücke, die nur noch fünfzig Meter entfernt war. Schwarz ragte sie in die steile Öde der Schlucht, im Licht der Spätnachmittagssonne, das immer noch über die braune Schulter des Berges fiel. Es war eine Stahlbrücke mit einem einzigen Boden, und an jedem Ende stand eine Wachthütte. Die Brücke war so breit, daß zwei Autos nebeneinander fahren konnten, und sie schwang sich mit präziser, metallener Eleganz über die tiefe Schlucht, auf deren Grund, tief unten, das weiße Wasser eines Baches über felsiges Gestein sprang, talwärts zu dem Hauptgewässer des Passes.
 Die Sonne blendete Robert Jordans Augen, so daß er nur die Konturen der Brücke sah. Dann verblaßte das Licht und verschwand, und als er zwischen den Bäumen die braune, rundliche Kuppe betrachtete, hinter der die Sonne untergegangen war, sah er, nun da kein greller Schein ihn mehr blendete, daß der Berghang mit einem zarten, frischen Grün bedeckt war und daß dicht unter dem Kamm an einigen Stellen noch alter Schnee lag.
 Dann betrachtete er wieder die Brücke, in der jähen kurzen Klarheit des letzten Lichts, das bald verschwinden würde, und studierte ihre Bauart. Sie zu zerstören war kein schwieriges Problem. Während er scharf hinsah, zog er ein Notizbuch aus der Brieftasche und fertigte mit schnellen Strichen ein paar Skizzen an. Die Ladungen würde er später berechnen. Jetzt notierte er nur die Punkte, an denen der Sprengstoff zu placieren war, um die Stützen des Bogens zu brechen und einen Teil der Brücke in die Schlucht zu schleudern. Man konnte das auf gemächliche Art machen, wissenschaftlich-korrekt, mit einem halben Dutzend Ladungen, die so gekoppelt werden, daß sie gleichzeitig explodieren – oder man konnte die Sache auf gröbere Art durchführen, mit zwei großen Ladungen. Es müssen das sehr große Ladungen sein, eine an jedem Ende, und sie müssen natürlich zu gleicher Zeit losgehen. Er zeichnete drauflos, rasch und vergnügt, froh, daß er endlich mit dem eigentlichen Problem zu tun hatte, froh, daß die Arbeit nun wirklich begann. Dann klappte er das Notizbuch zu, schob den Bleistift in die Ledertasche am Rande des Deckels, steckte das Notizbuch ein und knöpfte die Tasche zu. Während er zeichnete, hatte Anselmo Straße, Brücke und Wachthütten betrachtet. Seiner Meinung nach war man zu nahe an der Brücke, und er atmete auf, als Jordan das Notizbuch zuklappte.
 Während Jordan die Klappe an seiner Tasche zuknöpfte und sich dann hinter einer Kiefer flach auf den Boden legte, hinter dem Stamm hervorspähend, legte Anselmo die Hand auf seinen Ellbogen und deutete mit dem Finger.
 In der Wachthütte, gerade gegenüber, am oberen Ende der Brücke, saß der Wachtposten, das Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett zwischen den Knien. Er rauchte eine Zigarette und war mit einer gestrickten Haube und einem losen Filzüberwurf bekleidet. Auf diese Entfernung hin konnte man seine Züge nicht unterscheiden. Robert Jordan setzte das Glas an die Augen, sorgfältig mit der gewölbten Hand die Linsen beschattend, obgleich die Sonne nicht mehr schien und kein Glitzern ihn verraten konnte – und da war das Geländer der Brücke, so scharf umrissen, als hätte man hinlangen und es anrühren können, und da war das Gesicht des Wachtpostens, so deutlich, daß man die eingesunkenen Wangen sah, die Asche an der Zigarette und den fettigen Schimmer des Bajonetts. Es war ein Bauerngesicht, die Wangen ganz hohl unter den hervorstehenden Backenknochen, das Kinn von einem Stoppelbart bedeckt, die Augen von schweren Brauen überschattet, große Hände, die die Flinte hielten, schwere Stiefel, die unter den Falten der Filzpelerine hervorschauten. An der Wand der Hütte eine abgenutzte, geschwärzte, lederne Weinflasche, einige Zeitungen und kein Telefon. Es hätte ja freilich an der anderen Wand, die Jordan nicht sah, ein Telefon hängen können, aber es waren auch keinerlei Telefondrähte zu sehen, die zu dem Häuschen geführt hätten. Die Straße entlang lief eine Telefonleitung, und ihre Drähte führten über die Brücke. Vor der Wachthütte ruhte auf zwei Steinen ein Holzkohlenöfchen, aus einer alten Benzinkanne verfertigt, deren Deckel man entfernt und in deren Boden man einige Löcher gebohrt hatte; aber es enthielt kein Feuer. In der Asche unter dem Blechding lagen einige rußgeschwärzte leere Konservendosen. Robert Jordan reichte das Glas Anselmo, der neben ihm lag. Der Alte grinste und schüttelte den Kopf. Er

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