Wem die Stunde schlaegt
an den Flügeln rot geränderten, nach Tiefdeckerart gebauten russischen Variante der Boeing P 32, die die Spanier Mosca nannten. Die Farben konnte man nicht unterscheiden, aber die Form stimmte nicht. Nein. Das war eine heimkehrende Fliegerpatrouille der Faschisten. Der Wachtposten stand immer noch mit dem Rücken zu ihnen neben der anderen Hütte.
»Gehen wir« sagte Robert Jordan. Er schritt den Berg hinan, sehr vorsichtig, jede Deckung ausnützend, bis sie außer Sichtweite waren. Anselmo folgte ihm in einem Abstand von hundert Meter. Dann, als man sie von der Brücke her nicht mehr sehen konnte, blieb er stehen, und der Alte kam heran, übernahm die Führung und stapfte mit gleichmäßigen Schritten im Dunkel den steilen Berghang hinan.
»Wir haben eine unheimlich starke Flugwaffe«, sagte der Alte fröhlich.
»Ja.«
»Und wir werden siegen.«
»Wir müssen siegen.«
»Ja. Und wenn wir gesiegt haben, mußt du mit uns auf die Jagd gehen.«
»Was für Wild?«
»Eber, Bären, Wölfe, Steinböcke –«
»Gehst du gern auf die Jagd?«
»Ja, Mann. Ich kenne nichts Schöneres. Bei mir zu Hause in meinem Dorf sind wir alle begeisterte Jäger. Du gehst nicht gerne jagen?«
»Nein«, sagte Robert Jordan. »Ich töte nicht gern ein Tier.«
»Bei mir ist das gerade umgekehrt«, sagte der Alte. »Ich töte nicht gern einen Menschen.«
»Niemand tut es gern, wenn er nicht gerade verrückt ist«, sagte Robert Jordan. »Aber ich habe nichts dagegen, wenn es sein muß. Wenn es für die Sache ist.«
»Aber es ist doch was anderes!« sagte Anselmo. »In meinem Haus, als ich noch ein Haus hatte, und jetzt habe ich kein Haus mehr, hingen die Hauer der Wildeber, die ich im Unterholz geschossen hatte. Und dazu die Felle der Wölfe, die ich geschossen hatte. Im Winter, im Schnee. Einen ganz großen erledigte ich in der Dämmerung, am Rand des Dorfes, eines Abends im November auf dem Nachhauseweg. Vier Wolfsfelle hatte ich auf dem Fußboden meines Hauses liegen. Sie waren schon ganz abgenutzt von dem vielen Drauftreten, aber es waren Wolfsfelle. Und dann hatte ich da das Gehörn eines Steinbocks, den ich in der hohen Sierra erlegt hatte, und einen Adler, den mir ein Präparator aus Ávila ausgestopft hatte, mit ausgebreiteten Flügeln und Augen so gelb und wirklich wie die Augen eines lebenden Adlers. Er war sehr schön anzuschauen, und ich hatte viel Freude an allen diesen Sachen.« »Ja«, sagte Robert Jordan.
»An der Kirchentür in meinem Dorf war die Tatze eines Bären angenagelt, den hatte ich im Frühling geschossen, im Schnee, an einem Abhang, wie er gerade mit dieser selben Tatze einen Baumstamm auf die Seite wälzte.«
»Wann war das?«
»Vor sechs Jahren. Und immer, wenn ich diese Tatze sah, wie eine Menschenhand, aber mit langen Klauen, vertrocknet und mit dem Nagel quer durch die Fläche an die Kirchentür genagelt, da freute ich mich.«
»Vor Stolz?«
»Vor Stolz in der Erinnerung an das Zusammentreffen mit dem Bären an jenem Abhang im Vorfrühling. Aber wenn man einen Menschen tötet, der ein Mensch ist wie wir, bleibt nichts Gutes zurück.«
»Du kannst doch wohl nicht seine Tatze an die Kirchentür nageln«, sagte Robert Jordan.
»Nein. Eine solche Barbarei ist undenkbar. Aber eine Menschenhand sieht genauso aus wie eine Bärentatze.« »Und die Brust eines Menschen wie die Brust eines Bären«, sagte Robert Jordan. »Zieht man dem Bären die Haut ab, dann findet man auch viele Ähnlichkeiten in der Muskulatur.«
»Ja«, sagte Anselmo. »Die Zigeuner glauben, der Bär ist ein Bruder des Menschen.«
»Auch die Indianer in Amerika«, sagte Robert Jordan. »Und wenn sie einen Bären töten, dann entschuldigen sie sich bei ihm und bitten ihn um Verzeihung. Sie hängen seinen Schädel an einen Baum, und bevor sie weggehen, bitten sie ihn, ihnen zu verzeihen.«
»Die Zigeuner glauben, der Bär ist ein Bruder des Menschen, weil er unter seinem Fell denselben Körper hat, weil er Bier trinkt, weil er Musik liebt und weil er gerne tanzt.«
»Das glauben auch die Indianer.«
»Sind denn die Indianer Zigeuner?«
»Nein. Aber sie glauben dasselbe vom Bären.«
»Ja. Die Zigeuner glauben auch, er ist ein Bruder, weil er zum Vergnügen stiehlt.«
»Hast du Zigeunerblut?«
»Nein. Aber ich habe viel mit ihnen zu tun gehabt und jetzt, seit der Bewegung, noch mehr. Es gibt viele in den Bergen. Für sie ist es keine Sünde, außerhalb des Stammes zu töten. Sie leugnen das ab,
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